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Lieblingslied: Roman (German Edition)

Lieblingslied: Roman (German Edition)

Titel: Lieblingslied: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: K.A. Milne
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marschiert war, griff mich ein kleiner Spähtrupp der Amerikaner auf. Ich ließ mich widerstandslos festnehmen. Sie nahmen mir meine Habseligkeiten ab und sperrten mich in eine Arrestzelle in ihrem Feldlager. Wieder zwei Tage später brachten sie mich in nördlicher Richtung in ihre Kommandozentrale, wo ich endlich die Möglichkeit hatte, meine Identität zu beweisen.
    Am nächsten Morgen erhielt ich Karls Gitarre zurück.
    Da ich nur drei Monate in Mauthausen gewesen und jede Nacht von Karl mit Lebensmittelrationen versorgt worden war, war mein Gesundheitszustand besser als erwartet. Ich war mager und schwach, aber nicht unterernährt. Aus diesem Grund stellte man mich vor die Wahl: Entweder in die Staaten zurückzukehren oder mich dem Bataillon anzuschließen und weiter zu kämpfen – wenn auch in untergeordneter Stellung. Ich wählte letztere Möglichkeit. Meine neuen Komandanten gaben mir einige Wochen Zeit, mich bei medizinischer Betreuung etwas zu erholen. Nachdem ich acht Kilogramm zugenommen hatte, erklärte man mich für fit und setzte mich als Fahrer ein.
    Mein Gefährt war einer von vielen Lastwagen, der den langsamen, gezielten Vormarsch der amerikanischen Truppen begleitete. Wir hielten häufig in kleinen Dörfern an, um Kommandostände zu errichten. Gelegentlich blieben wir mehrere Wochen an einem Ort, manchmal zogen wir schon nach zwei oder drei Tagen weiter. Karls Gitarre blieb mein ständiger Begleiter, während ich am Steuer des Transporters saß. Nach kleineren Scharmützeln mit versprengten Teilen der sich immer weiter auflösenden deutschen Truppen, diente mir die Gitarre als Mittel der Entspannung und Beruhigung. Jeder hatte einen Lieblingssong aus der Heimat, und mit etwas Übung gelang es mir meistens, die Melodie korrekt wiederzugeben. Wurde einer unserer Kameraden verwundet, rief man mich häufig ins Krankenzelt, um etwas zum Besten zu geben. Das erinnerte sie vermutlich an zu Hause, war Balsam für die Seele und hob die Stimmung. Einer der Ärzte behauptete, er könne zwar Blutungen stoppen, aber gute Musik helfe am besten, die Schmerzen zu lindern.
    Mehr als einmal spielte ich für Soldaten, die auf den Tragen im Sterben lagen. Ein junger Mann aus Louisiana, mit blutigen Wunden von einem Schrapnell, bat mich, den Lieblingssong seiner Freundin, Ferryboat Serenade , von den Andrew Sisters zu spielen. Noch bevor das Lied zu Ende war, ging er mit einem Lächeln auf den Lippen in die ewigen Jagdgründe ein.
    Es war ein langer, anstrengender Marsch, aber Ende April rollte unser Zug in Salzburg ein. Zu diesem Zeitpunkt war der Widerstand des Feindes fast gebrochen, und wir hatten alle das Gefühl, dass das Kriegsende nahe war. Auch die Einheimischen schienen das zu spüren. Mehr als einmal dankten uns die Leute, dass wir Hitlers ›Wahnsinn‹ ein Ende bereitet hatten.
    Anfang Mai – genau genommen am 4. Mai – verließen wir Salzburg, überquerten die Grenze nach Deutschland und stießen nach Berchtesgaden vor. Am darauffolgenden Morgen fuhren wir eine steile, schmale Straße hinauf zum Kehlsteinhaus, das zu Hitlers weitläufigem Domizil auf dem Obersalzberg gehörte und von den Amerikanern das ›Eagle’s Nest‹ getauft worden war. Der Aufmarsch hatte eher symbolischen Charakter, denn Hitler hatte den Obersalzberg längst verlassen. Für uns jedoch, die wir seinen privaten Besitz einnahmen, war es ein Grund zu feiern. Schließlich bedeutete es für unsere Einheit gleichzeitig das Ende der Kampfeinsätze.
    Mein Lastwagen befand sich am Ende des Konvois, sodass ich zu den Letzten gehörte, die am Kehlsteinhaus ankamen. Das Gebäude war nur eines von etlichen Anwesen, die von Hitler und seinen engsten, hohen Funktionären auf dem Obersalzberg bewohnt worden waren. Nachdem ich das Haus betreten hatte, machte ich die Runde. Im Parterre entdeckte ich eine Toilette. Es war die erste richtige Toilette, die ich seit einer Ewigkeit zu Gesicht bekommen hatte. Während ich dort saß, beschloss ich, mir ein Souvenir auszusuchen. Hitler hatte mir viel genommen. Ich leitete daraus das Recht ab, mir etwas von ihm zu nehmen. Also zückte ich mein Taschenmesser und schraubte die Türklinke der Toilette ab. Sie war nur eine Kleinigkeit, aber ausgesprochen dekorativ und wie ein verlängertes S geformt. Ich steckte sie in die Hosentasche und ging weiter auf Besichtigungstour.
    Später am Abend stellte sich heraus, dass viele meiner Kameraden, dieselbe Idee gehabt hatten, und sich Souvenirs aus Hitlers privater

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