Lieblingsmomente: Roman
erschreckend wie beruhigend.
»Dann schieß los, ich bin ganz Ohr.«
»Ich bin auf der Gästeliste!«
Es überrascht mich nicht so sehr, wie sie es sich wohl gewünscht hatte, weil Beccie meistens irgendwie auf die Gästeliste kommt und das meistens ohne meine Hilfe. Zum Glück, denn diesmal bin ich wirklich keine große Hilfe gewesen.
»Schön. Wie hast du das geschafft?«
»Reiner Zufall. Tristan hat das klargemacht.«
Den Nachsatz schiebt sie fast unbedeutend hinterher – und zwar so, dass er mich etwas kälter erwischt, als ich es mir eingestehen will. Sie hat ihm geschrieben, er hat ihr geantwortet, jetzt sind sie Facebook-Freunde, und Tristan hat sogar seine Beziehungen für sie spielen lassen. Wieso um alles in der Welt reagiere ich so … eifersüchtig?
»Ach. Das ist nett von ihm.«
Es entsteht eine kurze Pause am anderen Ende. Was ist los? Ich traue dem Ganzen nicht, denn mit Beccie entsteht nie eine Pause, nicht mal eine kurze. Sie holt höchstens mal Luft, aber auch da bin ich mir nicht sicher. Manchmal hege ich den leisen Verdacht, dass sie nicht durch Mund und Nase, sondern durch die Haut atmet. Und natürlich dauert die Pause auch nicht lange.
»Ja klasse, oder? Er ist nämlich Türsteher.«
»Nicht hauptberuflich.«
Die beiden Worte verlassen meinen Mund, noch bevor mir klar wird, dass ich das eigentlich gar nicht wissen sollte. Ich lasse meine Stirn auf die Tischplatte vor mir sinken. Noch unauffälliger hätte ich es wohl kaum machen können. Jetzt wird sie nachfragen, und ich werde alles abstreiten.
»Echt? Und woher weißt du das?«
»Ach, er ist Fahrradkurier und hat gestern ein Päckchen bei mir abgeholt. Wir haben nur kurz geredet.«
Ich richte mich schnell wieder auf. Angriff ist die beste Verteidigung, heißt es doch immer. Jetzt habe ich mich schon selber in diese Situation manövriert, jetzt kann ich genauso gut auch so tun, als würde mir das alles nicht das Geringste ausmachen. Ich stehe auf und laufe durch mein Büro, weil es dann einfacher ist, unbeteiligt zu klingen.
»Nicht schlecht. Auf jeden Fall kann ich dich jetzt am Freitag begleiten. Das wird ein Spaß, oder?«
Ich bleibe vor meinem Lieblingsbild stehen und erinnere mich daran, wie er gestern hier, an genau dieser Stelle, gestanden hat.
»Absolut.«
Sie erwähnt Facebook mit keiner Silbe, und ich werde sie weder danach fragen noch zugeben, es schon bemerkt zu haben.
»Arbeite nicht zu viel.«
»Mache ich. Hast du heute Mittag schon was vor?«
»Ja. Ich treffe mich mit ein paar Kommilitonen. Tut mir leid. Morgen?«
»Klar. Melde mich bei dir.«
Erleichtert lege ich auf und nehme wieder an meinem PC Platz. Ich bin viel zu lange hier, ohne auch nur ein bisschen Arbeit erledigt zu haben. Ich logge mich trotzdem, aus reiner Vorsicht, noch mal bei Facebook ein und habe eine neue Nachricht.
Tristan Wolf hat deine Freundschaftsanfrage bestätigt.
Mein Herz legt viele kleine Sprünge zu einem sambaartigen Rhythmus hin, und sofort klicke ich auf sein Profil, das ich nun in seiner vollen Pracht bestaunen kann. Er hat 127 Freunde und drei Fotoalben, die ich mir gleich einzeln vornehmen werde.
Auf der Infoleiste steht es dann:
Tristan Wolf ist in einer Beziehung.
Es ist ein Schlag in die Magengrube und ein Sicherheitsnetz zugleich. Er ist vergeben, und ich bin erleichtert. Ich habe nichts Falsches gemacht. Und vor allem werde ich auch nichts Falsches machen. Ich bin vergeben, er ist vergeben. Aus. Ich will lächeln und ausatmen, wenn da nicht dieses andere Gefühl wäre. Ein Gefühl, das ich schnell in den Schrank sperren will und das in meinem Leben keinen Platz haben darf.
Obwohl es Zeit wird, Fotos zu bearbeiten, meinem Beruf nachzugehen, entscheide ich mich stattdessen dafür, mir die Fotoalben auf Tristans Seite anzusehen.
Das älteste Album zuerst. Die letzten Bilder hat er vor zwei Jahren hochgeladen, und ich bemerke, wie jung er auf manchen Fotos aussieht. Eines gefällt mir besonders: Es ist irgendwo am Meer entstanden. Er lacht direkt in die Kamera, versucht die Hand vor sein Gesicht zu halten, ist aber vom Fotografen ganz offensichtlich zuvor erwischt worden. Es sieht so unbekümmert und entspannt aus. Sofort schließe ich dieses Lachen in mein Herz. Auf den meisten anderen Fotos ist er mit einer Frau zu sehen, die offensichtlich seine Freundin ist. Sie sieht hübsch aus. Kürzere freche Haare, eine kleine zierliche Person mit strahlenden hellbraunen Augen und einem süßen Lächeln. Auf den Fotos
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