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Lieblingsmomente: Roman

Lieblingsmomente: Roman

Titel: Lieblingsmomente: Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Adriana Popescu
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kleinen Bus und den Regen meinem warmen Bett neben Oliver vorziehe. Aber ich will einfach noch nicht gehen. Mit wenigen Handgriffen baut Tristan die Sitzbank zu einer gemütlich wirkenden Schlafcouch um, legt mir Kissen und Decke bereit. Er scheint öfter hier zu übernachten, und sofort fallen mir alle warnenden Sprüche meiner Mutter wieder ein. Ich kenne diesen Mann nicht und bin doch bereit, mit ihm hier zu übernachten. Allerdings legt er sein Kissen nach vorne auf den Fahrersitz.
    »Was soll das denn?«
    »Ich gehe schlafen.«
    »Auf dem Fahrersitz?«
    »Ja.«
    Ich krieche unter die Decke. Die Couch bietet genug Platz für zwei Personen, und auch wenn wir kein Paar sind, kann man sich durchaus zusammen eine Couch teilen. Außerdem hatten wir heute schon unseren kritischen Moment – und haben ihn verstreichen lassen. Gut, ich habe uns eine kalte Dusche verpasst, aber ich glaube, ich kann es wieder, wenn es sein muss. Jetzt wo ich die Wahrheit kenne.
    »Tristan Wolf, wir sind keine fünfzehn. Also los.«
    Er rührt sich nicht, sieht mich nur an. Zögert er? Denkt er an Helen, während mir Oliver in diesem Moment ziemlich egal ist? Das tut ein bisschen weh.
    »Keine Angst, ich will nicht mit dir schlafen, ich will nur neben dir schlafen. Es wäre unfair, wenn du die Nacht auf dem Fahrersitz verbringen müsstest. Also, komm jetzt.«
    Woher ich diesen plötzlichen Mut habe, der für mich ganz untypisch ist, kann ich wirklich nicht erklären. Aber die Worte kommen so leicht und schnell über meine Lippen, ich kann sie nicht mehr zurücknehmen. Diese Nacht ist doch ohnehin schon verrückt genug – wieso also nicht? Es wird nichts passieren. Ich hintergehe niemanden. Wir sind zu betrunken, um Auto zu fahren, und das Geld für das Taxi spare ich mir.
    Tristan nickt, gibt nach und legt sich schließlich neben mich. Wir berühren uns nicht. Wir liegen einfach nur nebeneinander in diesem trockenen Bus, während draußen ein Sommergewitter über uns hinwegfegt. Ich schließe die Augen und lausche dem Prasseln des Regens auf dem Autodach, so wie damals mit meinen Eltern im Campingurlaub. Es fühlt sich gut an. Sicher.
    »Tristan?«
    »Hm.«
    »Das hier, genau dieser Moment, ist mein Lieblingsmoment.«
    Unter der Decke spüre ich seine Hand, die meine langsam umschließt.
    »Das ist auch mein neuer Lieblingsmoment, Layla Desio.«
    Und mit einer endlosen Wiederholung seiner Worte in meinem Kopf schlafe ich schließlich, seine Hand haltend, ein.

Das Piepen meines Handys wird gekonnt ignoriert, so habe ich schon manchen grauenvollen Morgen um einige Minuten betrogen. Ich fühle mich schlapp, und mein Kopf pocht auf bedrohliche Weise. Mein Handy lasse ich links liegen und entscheide mich für eine weitere Runde Schlaf. Ich drehe mich langsam auf die andere Seite und stoße mit meiner Nase an seine. Es ist schon eine ganze Weile her, dass er so nahe bei mir geschlafen hat. Sanft streichele ich seine Wange, mancher Samstag ist eben doch ein kleines Geschenk. Ich öffne meine Augen und lächle. Doch ich sehe nicht in Olivers Gesicht. Ich streichele nicht Olivers Wange. Ich berühre nicht Olivers Knie. Es ist ein anderes Gesicht. Ein ebenso vertrautes und ungleich schöneres. Ich zucke merklich zusammen. Tristan sieht mich überrascht aus großen, wenn auch müden Augen an.
    »Hey, Layla, guten Morgen.«
    »Scheiße. Wie spät ist es?«
    Ich taste panisch nach meinem Handy. Es ist schon nach zehn Uhr.
    »Verdammt! Verdammt! Ich muss nach Hause.«
    Ich setze mich auf, halte mir den Kopf und spüre, dass ich einen Kater habe. Die Erinnerungen der letzten Nacht breiten sich wie ein Teppich vor meinem inneren Auge aus. Der Club, das Chaos, die Tankstelle, die Weinberge. Eine Sternschnuppe, das Lied, der Regen. Wir haben zusammen geschlafen. Nein. Wir sind zusammen eingeschlafen. In diesem Bus, auf diesem kleinen und viel zu engen Bett.
    »Ich fahre dich heim.«
    Er klettert aus dem Bett, sieht mich dabei kurz an, und ich würde am liebsten heulen. Wieso habe ich gestern eigentlich nicht nachgedacht? Wieso habe ich nicht die Weitsicht gehabt zu wissen, wie ich mich heute fühlen werde: beschissen! Oliver sitzt vermutlich schon mit seinen Eltern daheim am Frühstückstisch und wartet auf mich, macht sich Sorgen, weil ich gestern Nacht nicht nach Hause gekommen bin. Was habe ich nur getan?
    Ich greife nach der halb vollen Cola-Flasche neben mir, beginne zu trinken und blicke durch die nur leicht beschlagene Fensterscheibe nach

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