Lieblingsmomente: Roman
war es ein Rettungsschwimmer, und morgen schon ist es ein Rechtsanwalt. Ich habe den Überblick verloren, erinnere mich nur an Steffen, ihren letzten und einzigen echten Freund. Er wollte sie aber so sehr an die kurze Leine nehmen, dass Beccie es nicht mehr ausgehalten und Schluss gemacht hat. Seitdem lebt sie, wie es ihr passt. Sie tut niemandem weh und lässt sich im Gegenzug von niemandem wehtun. Ich wünsche mir trotzdem manchmal etwas mehr Ordnung in der Liste ihrer Männerbekanntschaften. Eine alphabetische Ordnung wäre schon mal ein Anfang. Und Namen.
»Der heiße Typ?«
Sie nickt.
»Welcher?«
»Na, Tristan, der so heftig mit mir geflirtet hat.«
Ich verschlucke mich fast an meinem Essen bei dieser Version der Ereignisse. Das wäre so, als wenn jemand behauptet, die Zwillingstürme des World Trade Center in New York hätten sich in die Flugbahn geworfen.
»Wie bipffe?«
Für gewöhnlich spreche ich nicht mit vollem Mund, aber diesmal bin ich zu schockiert, um erst zu schlucken. Vielleicht auch sauer. Aber das würde ich niemals zugeben.
»Erinnerst du dich nicht? Tristan? Dunkle Haare, nicht dein Typ?«
Wenn sie wüsste, wie gut ich mich an ihn erinnere, hätten wir ein größeres Problem. Moment. Will sie mich testen? Ist sie wegen der pampigen Bemerkung am Samstag noch immer sauer? Kurz überlege ich, ihr zu sagen, von wem ich heute Morgen eine E-Mail in meinem Postfach hatte. Aber auch das würde zu nichts führen.
»Doch, da klingelt etwas. Samstag, Open-Air, Blut.«
»Genau der! Tristan.«
»Du fandst den Kerl, den wir danach getroffen haben, doch noch viel niedlicher.«
»Stimmt. Der könnte von mir aus am Freitag auch gerne da sein.«
»Hat er sich noch mal gemeldet?«
»Nein. Ich glaube aber, ich habe ihm aus Versehen eine falsche Nummer gegeben. Ich sollte mir wirklich Visitenkarten zulegen, meinst du nicht?«
Fast möchte ich lachen, aber ich verkneife es mir und zucke nur ratlos mit den Schultern.
»So wie du. Du machst das so clever. Wie oft steckst du den Männern nachts denn Visitenkarten zu? Und sie rufen immer zurück.«
»Beccie, bei mir sind es berufliche Kontakte. Das sind Veranstalter. Ich fotografiere für die und will kein Date mit denen.«
»Wieso auch? Du hast Oli. Er ist perfekt. Ihr seid perfekt.«
Das klingt fast trotzig und ist im Moment etwas, das ich weder hören will noch brauchen kann. Was hat Beccie nur? Ich weiß, dass sie Oliver sehr mag, ihn auch schätzt, aber selten hat sie so viel von ihm geschwärmt wie in den letzten Wochen – seit sie Steffen mit seiner neuen Freundin gesehen hat. Sie hat sich zwar betont cool gegeben, aber ich kenne sie besser, als sie denkt: Es hat sie getroffen, ihn mit einer anderen Frau zu sehen. Beccie will gar keine Männerbekanntschaften mehr, sie will einen süßen Freund, der immer für sie da ist. Sie will quasi ihren eigenen Oliver.
»Ja, ich habe Oli.«
Und das ist gut so. Auch wenn es weit davon entfernt ist, so perfekt zu sein, wie Beccie sich das vielleicht vorstellt, mag ich unser Leben genau so, wie es ist. Er gibt mir Stabilität und Sicherheit. Er ist immer da, wenn ich ihn brauche, und er hilft mir bei der Steuererklärung. Ich liebe ihn wegen den unendlich vielen Kleinigkeiten, die ihn zu dem Mann machen, den ich damals kennengelernt habe und der noch immer das Milchglas auf dem Tisch stehen lässt. Bei der Erinnerung muss ich schmunzeln. Ja, ich habe Oliver, und das ist wirklich gut so. Irgend so ein blutüberströmter Tristan hat da keinen Platz.
»Willst du seine E-Mail-Adresse?«
Beccie sieht mich an, und ihre Augen werden so groß wie Untertassen. Ich weiß nicht so recht, wieso ich das gesagt habe. Vielleicht einfach nur, um es loszuwerden und aus dem Kopf zu bekommen. Oder weil ich ihn bereitwillig an Beccie abgebe.
»Wie war das?«
»Er hat mir eine E-Mail geschickt. Wollte sich nur kurz bedanken.«
Ich sage es einfach. Es ist keine große Sache, und es soll auch keine werden.
»Für was wollte er sich bedanken?«
»Ich habe seine Platzwunde desinfiziert und ihm einen Schnaps ausgegeben.«
Beccie nickt und zeigt mit der Gabel auf mich, als würde sie mich aufspießen wollen.
»Wieso erfahre ich das jetzt erst? Und wo bleibt die wortgetreue Wiedergabe des Mail-Inhaltes, junge Frau?«
»Es war eine nette E-Mail. Er hat sich nur bedankt, das war alles.«
»Gut. Und ja, ich will seine E-Mail-Adresse. Ich könnte ihn ja anschreiben und mal so nach seinen Plänen fürs Wochenende
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