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Lieblingsstücke

Lieblingsstücke

Titel: Lieblingsstücke Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Susanne Fröhlich
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auch noch. Hat der nicht vorhin gesagt, sein Blutdruck erlaube keinen Kaffee? Ich will ihn vor Iris nicht bloßstellen (Blutdruckbemerkungen machen nicht unbedingt jünger) und denke, er ist alt genug, um zu wissen, was er will. Immerhin ist mein Vater einundsiebzig. Wenn er einen Kaffee will, bekommt er einen.
    »Setzen wir uns doch«, sagt mein Vater zu Iris und deutet auf die Couch. Er scheint sich schon ziemlich zu Hause zu fühlen.
    »Was verschlägt denn eine Frau wie Sie hier raus?«, geht sein Geplänkel weiter.
    In dieser, auf den ersten Blick harmlosen Frage steckt eine winzige Spitze, die aber, außer mir, anscheinend niemand bemerkt. Iris lacht schon wieder, gerade so, als hätte mein Vater einen gewaltigen Witz gemacht. Ich bringe den Kaffee und beschließe, die Turteltäubchen sich selbst zu überlassen. Iris schüttelt ihre blondgesträhnte Mähne, und mein Vater starrt sie begeistert an. Natürlich würde ich mich aus Neugier gerne dazusetzen, aber mein Keller ruft, und als ich die beiden frage, ob es ihnen was ausmacht, wenn ich sie eine Weile alleine lasse, kommt keinerlei Gegenwehr. Mein Vater wirkt eher erleichtert. Vielleicht schämt er sich, vor seiner Tochter so rumzubalzen.
     
    In meinem Büro suche ich schnell die Abrechnungen für Iris raus und mache mir Arbeitslisten. Was heute dringend erledigt werden muss. In der Zeit könnte ich wahrscheinlich schon einen Teil abarbeiten, aber Listen schaffen Struktur. Es klingelt schon wieder.
    »Ich gehe schon«, ruft mein Vater und macht sich nützlich.
    Einen Moment später steht Annabelle im Keller. Meine Channeling-Annabelle. Mist, ich habe heute Morgen, durch die ganzen Verwicklungen, völlig vergessen, sie anzurufen. Die ist nach gestern Abend bestimmt immer noch sauer. Ich nehme sie zur Begrüßung in den Arm und leiste sofort Abbitte, komme also jeglichem Vorwurf zuvor.
    »Es tut mir leid, ich bin manchmal schrecklich ignorant,
entschuldige«, sage ich. Kleine Lüge, ich finde mich eigentlich nicht besonders ignorant, aber Freundschaften verlangen ab und an eben Opfer. Auch Annabelle kenne ich durch meine eBay-Geschäfte. Wir haben uns, so wie Iris und ich, angefreundet. Annabelle ist das, was man gemeinhin als guten Mensch bezeichnet. Ihr würde man bedenkenlos einen kranken angefahrenen Igel oder auch die Kinder überlassen. Annabelle ist nur ein wenig Esoterikbesessen. Sie glaubt an die heilende Kraft der Steine und daran, dass Krankheiten eine Botschaft haben. Ich bin da, genau wie beim Channeling, eher skeptisch, sie weiß das und glaubt, es läge daran, dass ich zumache. Mich nicht einlassen will. Noch nicht wirklich bereit bin. Dabei will ich durchaus. Auch ich bin, so wie die meisten Menschen, natürlich immerzu auf der Suche nach dem großen Sinn des Lebens, aber durch meinen turbulenten Alltag widme ich dieser Suche nicht allzu viel Zeit. Trotz meiner generellen Bereitschaft habe ich allerdings erhebliche Probleme, zu erkennen, welche Rolle da ein paar Steine spielen könnten. Annabelle hat, und das ist ihre leicht nervige Seite, etwas Missionarisches. Eine Eigenschaft, die mir insgesamt unangenehm ist. Kann man die Menschen nicht einfach in Ruhe lassen? Warum darf nicht jeder, solange es sich im Bereich des Legalen bewegt, nach seiner Fasson glücklich werden? Warum müssen auf einmal alle stillen oder joggen oder kein Weißbrot mehr essen? Darf der Mensch nicht wenigstens im Kleinen noch eigene Entscheidungen treffen? Irgendwann ist es soweit, dass man nur noch heimlich Baguette essen darf! Annabelle scheint zum Glück ein bisschen besänftigt.
    »Na, da bin ich aber froh, Andrea«, entgegnet sie mir. »Ich habe echt schlecht geschlafen heute Nacht. Und mich
wegen Jesus und vor allem meiner Oma auch ganz schön geärgert. Aber natürlich nehme ich deine Entschuldigung an.«
    Uff – durchgekommen. Hätte mich auch sehr gewundert, wenn Annabelle jetzt rumgezickt hätte. Das ist das Gute an Gutmenschen. Sie sind sehr gut im Verzeihen. Ich gebe ehrlich zu, ich selbst hätte mich noch ein wenig mehr bitten lassen, aber Annabelle zeigt wahre Größe.
    »Hast du was für mich, oder bist du nur so da?«, beende ich das, für mich eher unangenehme, Thema mit einer Frage.
    »Na ja«, antwortet sie ein wenig verhalten, »ich finde, also nach gestern und so, du bist mir noch was schuldig.«
    In Gedanken nehme ich alles zurück, was ich über Annabelle und ihren Großmut gedacht habe. Von wegen Verzeihen.
    »Und was bin ich dir schuldig? Deine

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