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Lieblingsstücke

Lieblingsstücke

Titel: Lieblingsstücke Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Susanne Fröhlich
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Oma oder was?«, will ich wissen.
    Okay, das könnte man jetzt gefühllos nennen, aber so schlimm war mein Verhalten gestern nun auch nicht. Und umgekehrt könnte man sie auch dafür haftbar machen, dass sie mich überhaupt zu diesen Wahnsinnigen geschleppt hat. Also genau genommen sind wir quitt. Ich bin mitgegangen, um ihr einen Gefallen zu tun, und habe mich da vielleicht nicht optimal benommen. Ein eindeutiges Unentschieden.
    »Annabelle, rück raus damit«, werde ich ungeduldig, »ich muss dringend noch zwei Texte schreiben und Abrechnungen machen. Außerdem hockt da oben mein Vater, eine emotionale Zeitbombe, mit Iris auf dem Sofa und redet sich wahrscheinlich um Kopf und Kragen. Und Iris will auch noch was von mir.«
    »Ach, deine tolle Iris schon wieder«, stänkert Annabelle wie eine beleidigte Erstklässlerin sofort los. Sie verzieht ihr Gesicht. Iris ist ihr persönliches rotes Tuch, dabei ähneln die zwei sich bei gründlicher Betrachtung. Was natürlich beide mit Vehemenz abstreiten würden. Schon deshalb werde ich mich hüten, das jemals zur Sprache zu bringen. Man muss ja nicht jeden mögen. Ich hingegen mag beide.
    Aber doch kurz zu den Ähnlichkeiten: Beide arbeiten nicht. Beide haben keine Kinder. Beide kaufen gerne ein – wenn auch sehr unterschiedliche Dinge, die eine eher Pendel und Kristalle und die andere eher Chanel-Ballerinas und Fendi-Täschchen – und beide scheinen reichlich Freizeit zu haben. Und auch ein gehöriges Maß an Langeweile.
    Für Annabelle ist Iris eine typische tumbe Wohlstandstusse. Eine, die sich nur um ihr Äußeres und kein bisschen um ihr Inneres kümmert. Außen hui – innen pfui, hat sie das mal sehr drastisch beschrieben. Stimmt auf den ersten Blick auch – jedenfalls das mit dem Außen hui. Um so auszusehen wie Iris, reichen gute Gene nicht aus. Da ist ein strammer täglicher Pflegeplan nötig. Wie sagt meine Mutter gerne: »Von nichts kommt auch nichts.« Das gibt Iris auch zu. Sie gehört nicht zu den unerträglichen Frauen, die behaupten, ihr fantastisches Aussehen nur viel Wasser und ausreichendem Schlaf zu verdanken. Iris geht täglich ins Fitnessstudio und hat genaue Pläne, wann rasiert, gepeelt und gesträhnt wird. Ihre Finger- und Fußnägel werden von Fachpersonal in Schuss gehalten. Einmal wöchentlich. Das Resultat kann sich auch wirklich sehen lassen. Iris ist eine Frau, die sich komplett unter Kontrolle hat. Optisch. Beneidenswert. Vor allem, weil man ihr diese Anstrengung nicht ansieht. An ihr wirkt alles selbstverständlich. Es würde einen nicht wundern, wenn
sie schon morgens so aus den Federn schlüpfen würde. Tut sie auch fast. Hat sie mir mal gebeichtet. Fritz, der Mann, der all diese Pflege und Einkäufe finanziert, ihr Ehemann eben, hat eine kleine Macke. Er sieht seine Frau Iris nicht gerne ohne alles. Natur pur ist ihm ein Graus. »Er findet, ich sehe dann aus wie ein unscheinbarer Albino.« Für so eine Bemerkung hätte ich Christoph den Mund stundenlang mit Seife ausgewaschen. Statt ihm wenigstens einen Vogel zu zeigen, steht Iris morgens doch glatt vor ihm auf, macht sich Haare und Gesicht zurecht, investiert gute zwanzig Minuten, kocht dann Kaffee, schlüpft nochmal unter die Bettdecke und reicht ihrem dreisten Fritz auch noch einen perfekten Milchkaffee, passend zum schon perfekten Gesicht. Eine reichlich alberne Prozedur. Schließlich weiß Fritz ja, dass das, was er dann beim Aufwachen sieht, schon bearbeitet wurde. »Aber das stört ihn nicht«, hat mir Iris erklärt. »Er will mich perfekt, also kriegt er mich perfekt.« Wie man sich auf so etwas einlassen kann, ist mir schleierhaft. Iris ist da ziemlich schmerzfrei und wesentlich pragmatischer. »Was soll’s, ich schminke mich ja eh, wenn ich aufstehe. Dann stehe ich halt früher auf und erhalte ihm seine Illusion von der rund um die Uhr perfekten Frau. Alles im Leben hat seinen Preis.« Wenn das der Preis fürs Einkaufen ist, wäre ich nicht bereit, ihn zu zahlen. Jemand, der mein Gesicht im Rohzustand so abstoßend findet, dass er es nicht ertragen kann, käme für mich als Ehemann nicht in Frage. Man kann seinem Partner ja durchaus mal einen Gefallen tun, aber das hat mit einem Gefallen ja kaum mehr etwas zu tun. Das ist eine sehr subtile Form der Demütigung und fast schon ein Fall für amnesty. Wenn es nicht um Iris ginge, wäre das eine wunderbare Klatschgeschichte. Der deutliche Beweis, dass
manche Frauen einfach alles für Kohle machen. An ihren Männern kann man bei

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