Lieblingsstücke
manchen Frauen deutlich ablesen, wie sehr sie es hassen müssen zu arbeiten. Ganz so simpel ist es im Fall von Iris aber nicht. Trotzdem – diese Information wäre Wasser auf Annabelles Mühlen.
Sie rollt auch so die Augen.
»Lass die Iris, die ist in Ordnung. Ich mag sie«, werfe ich mich verbal vor Iris, »sage mir lieber, wie ich Buße tun muss. Das ist es doch, was du verlangst.«
»Dass du immer so übertreiben musst«, beschwert sich Annabelle. »Du musst keine Buße tun, aber ich finde einfach, dass du mir noch was schuldig bist. Ich habe uns angemeldet zum Rebirthing. Ich glaube, das ist eher was für dich als das Channeling. Und auch die Asmara, unsere Channeling-Meisterin, findet, das wäre gut für dich. Und ich wollte das schon lange mal machen.«
Hilfe. Rebirthing. Ich habe nicht mal die winzigste Ahnung, was das sein kann, aber es klingt nach nichts, was mir Spaß machen wird.
»Ich glaube, ich habe leider gar keine Zeit«, rede ich mich sofort raus.
»Erwischt«, ruft sie und kichert, »ich habe ja noch gar nicht gesagt, wann das Seminar stattfindet.«
So eine Scheiße. Reingefallen.
»Christoph muss die ganze Woche arbeiten, ich habe niemanden für die Kinder«, versuche ich zu retten, was zu retten ist.
»Das klären wir, wenn es soweit ist«, zerstört sie mir auch noch meine nächste Ausrede. »Termin ist am Freitag. Du musst nur lockere Kleidung anziehen. Mehr nicht. Das wird so erhellend, du wirst sehen.«
Ich muss unbedingt im Internet recherchieren, worum
es beim Rebirthing geht. Erhellend kann ja vieles sein. Rebirthing heißt Wiedergeburt – zum schnöden Übersetzen langt mein Englisch. Aber was soll’s, ich gehe da eh nicht hin. Das Channeling hat mir genügt. Zur Not lege ich mir eine fiese Kinderkrankheit zu. Irgendwas extrem Ansteckendes und sage kurzfristig ab. Da wird mir schon was einfallen.
»Tja, also ich schau mal. So richtig verrückt bin ich ehrlich gesagt nicht drauf«, versuche ich ehrlich aus der Nummer rauszukommen.
»Weiß ich«, kontert Annabelle, »gerade deshalb nehme ich dich ja mit. Weil du selbst noch nicht weißt, was gut für dich ist.«
Ich weiß nicht, was gut für mich ist? Aber dafür weiß es Annabelle. Das ist zwar frech, aber auch schon fast witzig. Was bildet die sich denn ein?
»Ich rufe dich an, Andrea, und sage dir, wann und wo wir uns treffen. Versuch gar nicht erst, dich zu drücken. Du wirst sehen, das Rebirthing ist eine ganz andere Geschichte als das Channeling.«
Mit diesen Worten wendet sie sich zum Gehen.
»Ich bringe dich noch zur Haustür«, sage ich, und wir verlassen den Keller.
Oben angekommen, tritt mein Vater in Aktion.
»Wo will denn die junge Frau so schnell wieder hin?«, fragt er, und selbst bei einer Frau wie Annabelle, bei der ich wirklich sicher war, dass so ein Gesülze sie kalt lässt, zeigen seine Worte Wirkung.
»Ich muss zum Hatha-Yoga«, lächelt sie meinen Vater an, »war aber schön, Sie mal kennenzulernen.«
»Na, dann viel Spaß. Trinken wir eben nächstes Mal einen Kaffee zusammen«, verabschiedet sie mein Vater.
Wenn das meine Mutter hören könnte. Diese schwallartigen Schmeicheleien, sie würde einen Anfall kriegen. Sonst ist mein Vater eher wortkarg und auch ein wenig stoffelig. Eigenschaften, die meine Mutter ihm oft genug vorwirft, obwohl sie an diesem Verhalten sicherlich eine Teilschuld trägt. Dass er durchaus anders kann, ist heute Morgen offensichtlich.
Auch Iris scheint begeistert.
»Du hast mir ja nie erzählt, was du für einen tollen Vater hast, Andrea, der Franz ist ja soo lustig. Und so offen.«
Meine Güte. Was hat mein Vater da bloß erzählt? Der redet sich hier in meiner Abwesenheit um Kopf und Kragen. Aber ich bin ja nicht seine Babysitterin, sondern seine Tochter, kann also nicht rund um die Uhr neben ihm sitzen und aufpassen. Und im Prinzip kann es mir ja auch egal sein. Er ist erwachsen, und es tut ihm offensichtlich gut. Vielleicht wird es trotzdem mal Zeit, die frischgebackenen Turteltäubchen auseinanderzureißen, bevor er sie noch in seine Bob-der-Baumeister-Bettwäsche lockt.
»Iris, lass uns runtergehen und das Geschäftliche erledigen. Und Papa, vielleicht hast du Zeit, mal eben für mich zur Post zu gehen. Ein paar Pakete wegbringen.«
Begeistert scheinen die beiden von meinem Vorschlag nicht zu sein, aber sie fügen sich.
»Mach ich, Andrea, kein Problem«, sagt mein Vater, und an seinem schnellen Ja merkt man die jahrelange Schule meiner Mutter. Mein Vater ist
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