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Lieblingsstücke

Lieblingsstücke

Titel: Lieblingsstücke Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Susanne Fröhlich
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ist wahres Chefsein.
    Christoph fliegt am Samstagmorgen nach New York. Damit er wenigstens noch einen Tag hat, um sich zu akklimatisieren. Sonntag ist der Lauf. Schon seit Wochen steht seine Reisetasche parat. Sein wichtigstes Laufutensil ist eine Uhr mit GPS . Global Positioning System. Ein unglaubliches Etwas. Diese Uhr zeigt nicht nur an, wie weit man gelaufen ist, sondern auch noch welche Strecke. Nach dem Lauf schließt man sie an den Computer an und kann dann genau sehen, wo man mit welcher Herzfrequenz
und welchem Tempo gerannt ist. Man sieht richtige Landkarten und darauf markiert die Laufstrecke. Ein kleines Wunderwerk. Christoph ist nahezu abhängig von diesem mir unverständlichen Ding. Es sieht aus wie eine Monsterarmbanduhr und ortet beim Einschalten den jeweils nächsten Satelliten. Obwohl Christoph schon mehrfach versucht hat, mir zu erklären, wie das funktioniert, habe ich es, ehrlich gesagt, bis heute nicht ganz richtig verstanden. Das Schöne an der Uhr – ich habe sie ihm geschenkt. Dass er zu einer Art Leibeigener der Uhr mutieren würde, habe ich selbstverständlich nicht geahnt. Die Uhr macht ihm nämlich ordentlich Druck. Wenn er seine Durchschnittskilometergeschwindigkeit nicht schafft, bekommt er schlechte Laune. Wenn sein Puls ein wenig höher ist als sonst, hat er sofort Panik wegen eventueller Infektionen, die sich durch den höheren Puls schon vorab andeuten könnten. Mehr Wissen entspannt, wie man hier deutlich sehen kann, also nicht unbedingt. Ich beschließe, seine Anspannung vor dem Lauf nicht noch dadurch zu erhöhen, indem ich ihm beichte, dass mir die Behörden auf der Spur sind. Das kann und muss bis nach dem Lauf warten. Auch wenn mir langsam aber sicher richtig die Muffe geht.
    Ich sehe mich schon in Handschellen. Dramen an der Haustür. Weinende Kinder und Herren mit Steingesichtern, die mich ungerührt in ein Auto zerren. Bis es soweit ist, sollte ich hier aber noch Ordnung gemacht haben. Wenn das Gewerbeaufsichtsamt zur Hausdurchsuchung aufläuft, möchte ich nicht, dass es auch noch heißt, ich sei chaotisch.
     
    Bevor ich weiter in düsteren Knastszenarien schwelgen kann, ist mein Vater wieder zurück. Eine Baustelle nach
der anderen. Und das Mittagessen habe ich auch noch nicht gekocht.
    »Papa, alles klar? Hat alles geklappt?«, frage ich. »Selbstverständlich«, antwortet mein Vater und lacht. »Ich habe da vor eurer Tür übrigens eine wirklich reizende Frau getroffen. Tamara oder so. Die wohnt gleich gegenüber.«
    Tolle Information und dazu eine irre Überraschung. Als wüsste ich nicht, wer neben mir lebt. Mein Vater scheint einiges entbehrt zu haben, anders ist sein rasanter Frauenkonsum heute Morgen ja kaum zu erklären. Was geht in dem wohl vor? Will er es meiner Mutter heimzahlen? Oder fängt er, kaum dass die letzte Träne getrocknet ist, mit der Akquise einer potenziellen Nachfolgerin an? Stimmt es wirklich, dass Männer so schnell vergessen können? Oder ist es reine Ablenkung?
    »Sie ist verheiratet«, warne ich meinen Vater.
    »Na und. Wer nicht!«, stellt er nur lapidar fest. Da scheinen einige Grundprinzipien ja wohl ziemlich ins Wanken zu kommen. »Hier sieht es ja schlimm aus«, bemerkt mein Vater und lässt seinen Blick durch mein Büro schweifen. »Wie kann man in diesem Wirrwarr nur arbeiten«, sinniert er vor sich hin.
    Dass ich mir diese Frage ab und zu auch mal stelle, sage ich nicht.
    »Du kannst mir ja, während du hier wohnst, helfen«, schlage ich stattdessen vor.
    »Statt Miete? Mit meiner Arbeit bezahlen? Gibt es im Leben nichts umsonst?«, grinst mein Vater.
    Erwischt. Dieser Gedanke war mir tatsächlich kurz durch den Kopf gehuscht. »Um die Frauen der Nachbarschaft vor dir zu schützen, Hormonhaft quasi«, denke ich und sage aber:
    »Quatsch, Papa, es wäre einfach schön, wenn mir jemand, mit deiner Erfahrung, unter die Arme greifen würde.«
    Eingeschleimt. Und wie meistens funktioniert auch hier diese simple Methode. Obwohl sie wirklich reichlich durchsichtig ist.
    »Gut«, nickt mein Vater, »das kriegen wir schon wieder hin. Lass uns gleich anfangen, du weißt ja, was du heute kannst besorgen, das verschiebe nicht auf morgen.«
    Da ist schon wieder einer. Einer von Papas Sprüchen. Es gibt Momente, da kann ich meine Mutter fast verstehen. Der Gedanke, dass er sogar beim Sex solche Weisheiten von sich gibt, ist Horror. Kurz vor dem Orgasmus ein »Ist dies schon Tollheit, hat es doch Methode« von Shakespeare oder auch »Wenn der

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