Lieblingsstücke
guckt, und sehe im Spiegel das ganze Grauen. Ich bin mehrfarbig. Habe dunkelorangene Fersen, braungelbe Fußnägel, und als ich meinen Rücken im Spiegel betrachte, sehe ich, dass an den Stellen, wo die unschönen Speckfalten sind, alles weiß geblieben ist. Ein orangeweißes Zebra.
»Das ist ja unglaublich«, beginnt Iris, und ich stimme ihr sofort zu.
»Finde ich auch, dass man danach so aussieht. Also, so was von unprofessionell. Was diese Yvonne da treibt, die hat ja keine Ahnung.«
Iris schüttelt nur mit dem Kopf. »Du bist unprofessionell, Andrea. Das muss man doch wissen, dass Selbstbräuner auf Hornhaut oder rauerer Haut, wie den Ellenbogen, dunkler wird.«
Gehört das jetzt zur Allgemeinbildung? Zum Frauengrundwissen? »Ich kann dafür die Hauptstädte Afrikas«, will ich sagen, verkneife mir den Satz aber. Ouagadougou oder Gaborone nützen mir jetzt wenig.
»Und was mache ich jetzt? Wann geht das weg? Wird das noch?«, frage ich ängstlich nach einem weiteren Blick in den Spiegel. Ich habe ein wenig Ähnlichkeit mit Grillfleisch. Eingelegt, wie es das abgepackt im Supermarkt gibt. Fleisch in Orange.
»Jetzt haben wir ein Problem«, stellt Iris nur fest. »Gut,
wir werden peelen und schauen, was zu retten ist. Hast du ein Peeling?«
Ich nicke. Irgendwo ganz bestimmt. Peelings gehören zu den Dingen, die man ungefragt zum Geburtstag geschenkt bekommt. So auch Duschgels, Cellulitiscremes oder Badezusätze. Verlegenheitsgeschenke, die man aber immer brauchen kann. Leider bin ich nicht sicher, ob ich es weiterverschenkt habe. Oder wo ich es hingeräumt habe.
»Wenn du es nicht findest, können wir auch Meersalz mit Öl mischen, Olivenöl. Das geht auch. Das kriegen wir schon, Andrea«, versucht mich Iris jetzt zu trösten.
Langsam ahne ich, dass wir die drei Stunden brauchen werden. Schon um mich farblich wieder so hinzukriegen, dass der Rest der Ballbesucher keine Sonnenbrille bei meinem Anblick braucht. Oder Häschenwitze über mich macht.
»Wasch die Haare. Ich gehe runter und rühre ein Peeling zusammen«, übernimmt Iris wieder das Kommando.
Ich habe den Eindruck, dass die relative Aussichtslosigkeit des Falls sie enorm motiviert. Wahrscheinlich hat sie das Gefühl, fast schon karitativ tätig zu sein. Eine viertel Stunde später sitze ich mit frisch gewaschenem Haar, einem Handtuch um den Kopf in der leeren Badewanne, und Iris schmirgelt meinen Rücken. Eine ziemlich intime Angelegenheit, aber so gelenkig, dass ich das allein hinbekommen würde, bin ich nicht, und wenn ich an das Kleid denke, verliere ich jegliches Schamgefühl.
»Mit grobem Meersalz wäre es natürlich besser«, klagt Iris, müht sich aber redlich. Angenehm ist was anderes. Christophs Kollege ist beim Mountainbikefahren mal in den Schotter gestürzt, und im Krankenhaus haben sie ihm mit einer Wurzelbürste die Steinchen aus der Haut geschrubbt
– das war sicherlich um einiges schlimmer. Die Vorderfront und die Beine übernehme ich selbst. Ich glaube, so gut durchblutet war ich schon seit Jahren nicht mehr. Jetzt sehe ich aus wie ein orangeroter Hummer. Vom Häschen-Zebra zum Hummer in wenigen Minuten. Welch eine Verwandlung. Und das allein mit Salz und Olivenöl. Wenn man ein Salatblatt auf mich legen würde, könnte man sich glatt das Dressing sparen. Nebenbei könnte ich auch als Kuh-Leckstein arbeiten. Ich wasche die Pampe mit möglichst wenig Wasser runter. Kratze sie mir mehr oder weniger vom Körper. Schließlich soll an dieses Haut-Farbwunder ja gar kein Wasser kommen.
»Jetzt eincremen«, gibt Iris ihre Anweisung. Dann betrachtet sie ihr Werk. »Schon besser, an den Füßen wird das allerdings noch ein zwei Wochen so bleiben.«
Gut, dass Winter ist.
»Schade wegen der schönen Abendsandalen, die ich dir mitgebracht habe. Die gehen so natürlich gar nicht«, sagt sie dann mit Blick auf meine verfärbten Füße. Das stört mich jetzt eher weniger. Ein wirklicher Trumpf sind meine Füße sowieso nicht. Meine Zehen sind längenmäßig ein wenig außerhalb der Norm. Der Zweite ist länger als der Dicke. Also werden sie heute Abend schön eingepackt.
»Wir müssen jetzt abwarten. Vielleicht entwickelt sich die Farbe noch«, entscheidet Iris. »Wir machen zunächst mal die Haare.«
Sie holt drei gigantische Rundbürsten aus ihrer Reisetasche und einen Fön.
»Ich habe einen Fön, Iris, so schlimm ist es nun auch nicht.« Die tut ja gerade so, als wäre das hier die Kosmetik-Diaspora.
»Meiner liegt besonders gut in
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