Lieblingsstücke
»Wow, was die wohl gekostet haben?« Aber es ist durchaus eindrucksvoll. Viel Zeit, um den Anblick zu genießen, bleibt mir aber nicht.
Iris ermahnt mich, »jetzt ist dein Gesicht dran.«
Auf meiner Schlafzimmerkommode baut sie ein Arsenal aus Schminkzeug auf. Man könnte denken, bei einer Heim-Zweigstelle von Douglas gelandet zu sein.
»Das alles soll in mein Gesicht?«, frage ich vorsichtig.
»Wart es ab«, befiehlt Iris und steckt mir mein frisch frisiertes Haar nach hinten. Den Spiegel über der Kommode
räumt sie weg. »Es ist besser, du guckst nicht zu«, begründet sie diese Maßnahme.
Mit zahlreichen Pinseln arbeitet sie konzentriert an meinem Gesicht.
»Es wäre schön, wenn Christoph mich noch erkennen würde«, versuche ich einen kleinen Scherz.
»Halt still«, sagt sie nur und stäubt eine weitere Ladung Puder über mich. Zum Fixieren, wie sie sagt. Dreißig Minuten malt sie auf mir herum. Dann ist ihr Werk vollendet. Sie holt mit großer Geste den Spiegel vom Bett und hält ihn mir vors Gesicht. Ich bin wirklich überrascht. Besonders von meinen Augen. Was so eine Ladung Farbe ausmachen kann! Erstaunlich.
»Das sind Smokey Eyes«, klärt mich Iris auf.
Ich bin irritiert. Freudig irritiert. Das muss ich sofort vorführen. Meine Augen schreien nach Bewunderung und Anbetung. Dass so viele Farbschattierungen auf meine Lider passen, hätte ich nicht für möglich gehalten.
»Iris, das ist großartig«, gebe ich meiner Begeisterung dann auch Ausdruck. So eine Frau wie Iris bräuchte ich jeden Morgen. Vielleicht nicht immer für das ganz große Programm, aber wenigstens für die nötigsten Schminkarbeiten. Toll wäre es natürlich, es gäbe eine Art Malennach-Zahlen-Anleitung fürs Gesicht. Dann könnten auch Grobmotoriker wie ich diese feinen Arbeiten ausführen. Ich ziehe, so vorsichtig wie möglich, das Kleid über den Kopf und renne barfuß die Treppe runter. Mein Vater sitzt noch immer auf dem Sofa.
»Papa, guck dir das an, ich bin es, deine Tochter!«, verlange ich nach Applaus.
»Prima«, sagt der nur. »Du siehst ein bisschen aus wie deine Mutter.«
Ich glaube, das sollte ein Kompliment sein. Mein Vater hielt meine Mutter schon immer für ein Wunder der Natur. Nicht, dass meine Mutter nicht gutaussehend wäre, aber mein Vater hat in dieser Hinsicht einen etwas verklärten Blick. Er findet, meine Mutter ähnle Ursula Andress. Von Christoph habe ich, was mich angeht, leider noch nie solche Vergleiche gehört. Wenn ich ihn frage, wie er mich so findet, rein optisch, sagt er: »Natürlich gut, sonst wäre ich ja nicht mit dir zusammen.« Ein wenig mehr Ekstase würde mir schon gefallen, aber ich bin Realistin genug, um meine optische Anziehungskraft einigermaßen einschätzen zu können.
Aber heute – das muss ich bei aller üblichen Bescheidenheit schon sagen – heute bin ich ein echter Knaller. Ein Brett. Ist kein Ausdruck von mir, habe ich von Sabine – eine meiner Freundinnen. Sie behauptet, Männer würden so Frauen bezeichnen, die wirklich was hermachen. Ich drehe mich ein wenig vor meinem Vater.
»Fast wie die Mama!«, ist anscheinend das größte Kompliment, das ich aus ihm herausholen kann. Immerhin.
Jetzt geht’s zu Claudia, meiner Tochter. Die hat Sinn für Äußerlichkeiten. Ich klopfe kurz an und sehe noch, wie meine Tochter blitzschnell etwas unter dem Bett verschwinden lässt.
»Was war denn das?«, will ich natürlich sofort wissen. Bei aller Eitelkeit soll man seine pädagogischen Pflichten ja nicht vernachlässigen.
»Äh, nichts«, antwortet sie.
Ich ziehe das Nichts unter der Matratze hervor und habe die
Bravo
in der Hand. Meine Tochter liest die
Bravo
. Na bravo.
»Wo hast du die denn her?«, will ich wissen.
»Die haben so viele davon, dass sie die sogar verkaufen«, bekomme ich eine ziemlich kecke Antwort. Soll das witzig sein? Wahrscheinlich.
»Hatten wir nicht mal besprochen, dass
Bravo
-Heftchen keine geeignete Lektüre sind?«, frage ich ein wenig strenger nach.
»Du hast gesagt, dass ich die nicht lesen soll. Aber alle lesen die«, bekomme ich zur Antwort.
»Da reden wir später drüber, außerdem dachte ich, du lernst Mathe. Steht da etwa auch was über Mathe drin?«
Wenn Claudia meint, sie hätte hier das häusliche Witzmonopol, dann hat sie sich aber geschnitten.
»Wie siehst du überhaupt aus«, startet sie einen Gegenangriff, ohne auf meine Mathebemerkung einzugehen.
»Wir gehen aus, der Papa und ich. Auf einen Ball.«
»Ganz schön viel
Weitere Kostenlose Bücher