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Lieblingsstücke

Lieblingsstücke

Titel: Lieblingsstücke Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Susanne Fröhlich
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auf.
    »Gleich, das hier ist wichtig. Wegen Claudia.«
    Claudia allerdings scheint das Telefonklingeln bei uns zu Hause nicht besonders wichtig zu finden. Sie geht nicht dran. Ist sie weggegangen? Kaum, dass ich aus dem Haus bin? Oder steckt sie mit dem Kopf im Computer und schert sich einen Dreck um mein Dauerklingeln? Im Resultat ist es dasselbe. Dann rufe ich die Rupps eben am Wochenende an. Geht ja nicht um eine Organtransplantation, wird also nicht auf einen Tag ankommen, tröste ich mich selbst.
    »So, Annabelle, zu deiner Frage. Klar habe ich geguckt, was das mit dem Rebirthing auf sich hat. Das hat ein Kalifornier entdeckt. Ich glaube, Mitte der Siebziger. Der saß in einem Holzzuber mit warmem Wasser und hatte auf einmal vorgeburtliche Erinnerungen. Ich meine, er hätte gesagt, er habe sich wie in der Gebärmutter seiner Mama gefühlt. Jedenfalls irgendwas in der Art.«
    Ich blicke stolz auf Annabelle. Da kann sie mir nun
wirklich keinen Vorwurf machen. Ich bin vorbereitet. Doch Annabelle ist nicht überzeugt:
    »Na ja, das hat sich schon weiterentwickelt, sonst müssten wir uns ja nur in ein Fass setzen. Ohne die richtige Atmung läuft beim Rebirthing gar nichts. Das wird uns der Ken heute zeigen. Ich bin schon total gespannt.«
    Der Ken. Aha. Ein Mann. Klingt amerikanisch. Heißen wie der Freund von Barbie und dann einen auf Rebirthing machen. Das hat schon was. Eines will ich dann aber doch noch wissen. Sicher ist sicher.
    »Annabelle, hör mal, du weißt schon, dass Rebirthing zum Beispiel in Colorado verboten ist. Da ist ein Kind ins Koma gefallen.«
    »Jetzt übertreib mal nicht gleich wieder«, unterbricht mich Annabelle. »Ein einziger Fall, ich bitte dich. Das waren bestimmt keine richtigen Rebirther. Der Ken hat das gelernt. Der ist mir empfohlen worden. Der kommt aus Kalifornien. Und du bist doch sonst nicht so ängstlich. Wir atmen uns in Trance, und dann gehen wir auf die Reise zurück zu unserer Geburt. Das wird bestimmt irre bewusstseinserweiternd.«
    Und irre eng. Viel Platz ist in so einem Geburtskanal ja nicht. Jedenfalls meines Wissens nach. Gut, dass ich nicht zu Beklemmungen neige. Bewusstseinserweiternd? Da wäre es wahrscheinlich gemütlicher, wir würden eine Runde Hasch rauchen. Ich traue mich nicht, Annabelle diesen Vorschlag zu machen. Vor allem, weil ich mich mit Hasch ähnlich gut auskenne wie mit Rebirthing. Ich hätte vor allem schon mal gar keine Ahnung, wo ich welches herkriegen sollte. Angeblich wird man, wenn man in Frankfurt über die Zeil, die Haupteinkaufsstraße, schlendert, ständig angesprochen, »Hier du. Brauchst du was?«
    Ich war wirklich schon oft in der Stadt – mich hat noch nie einer angesprochen. Noch nicht mal, um mir Drogen zu verkaufen. Von anderen Annäherungsversuchen mal ganz abgesehen. Nicht, dass ich was vermisse, obwohl gelegentlich angesprochen zu werden, wäre immerhin eine Form von Ego-Politur. Hasch hat nicht mal eBay im Programm, und die verticken eigentlich alles.
    Annabelle parkt ein. Wir sind in Alt-Sachsenhausen. Früher war ich hier abends oft unterwegs. Alt-Sachsenhausen ist das Kneipenviertel Frankfurts. Und hier sollen wir wiedergeboren werden? Unsere Geburtstraumata aufarbeiten?
    »Was wollen wir denn hier? Noch ein paar Sauergespritzte trinken und einen Handkäs essen, bevor wir uns unserer Geburt stellen?«, frage ich bei Annabelle nach.
    »Sei nicht albern«, werde ich getadelt, »der Ken wohnt hier und macht den Kursus bei sich zu Hause, weil das von der Atmosphäre her besser ist.«
    Von wegen Atmosphäre. Die schluckt aber wirklich alles. Atmosphäre. Hier? Wir klingeln an einem Hinterhaus. Es sieht nicht so aus, als würde sich hier ein schickes Loft verbergen. Aber bitte – ich lasse mich gern überraschen. Die Wohnung, in der uns Ken empfängt, ist eine Wohnung, die dringend mal gründlich durchgeputzt werden müsste. Wenn ich so etwas sage, dann ist es wirklich dringend. Meine Mutter würde sofort Hautausschlag in einer solchen Umgebung bekommen. Ken selbst ist zum Glück ein bisschen appetitlicher als seine Behausung. Er ist groß, hat eine Stirnglatze, trägt den Rest der Haare aber lang. Und er hat ein Stirnband an. So ein langes Tuch, dessen Enden hinten über den Rücken fallen. Batik. Wahrscheinlich ist er in den Siebzigern nach Deutschland gekommen und hat
sich modisch einfach nicht weiterentwickelt. Aber man soll ja nicht zu viel auf Äußerlichkeiten geben. Immerhin sind die Haare nicht fettig. Er trägt ein T-Shirt

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