Liebster Mitbewohner
später gingen diese Phasen immer wieder vorbei. Und danach hat mir das Studium noch mehr Spaß gemacht als vorher. Bis zur nächsten Zweifel-Phase.“ Sie zwinkerte mir zu. „Ich hoffe wirklich, wir sitzen bald wieder zusammen in einer Vorlesung.“ Sie drehte sich um und war einen Moment später zwischen den anderen Studenten verschwunden.
Kapitel 4
Auf dem Weg nach Hause erreichte mich eine SMS von Elena: Bin auf dem Weg zu Leon. Bis gleich.
Ich schluckte . Meine beste Freundin würde also gleich meinem Ex-Freund gegenüberstehen. Vielleicht war er ja auch gar nicht da. Andererseits machte er freitags immer früher Feierabend. Aber er könnte nach der Arbeit auch noch etwas anderes zu erledigen gehabt haben. Ich wusste nicht, welches Szenario unerträglicher für mich war: Dass Elena Leon begegnete und er kein weiteres Interesse an mir zeigte. Oder dass er nicht zu Hause war und ich nicht einmal erfahren würde, wie er auf Elena reagiert hätte.
Schon im Treppenhaus hörte ich Daniels laut aufgedrehte Rockmusik. Ich schloss die Tür auf und schrie gegen den Lärm an: „Bin wieder da!“
Es kam keine Reaktion.
Nachdem ich die Wohnungstür geschlossen, meine Jacke abgelegt und meine Schuhe ausgezogen hatte, hämmerte ich gegen Daniels Zimmertür. Sie wurde m it solch einer Gewalt aufgerissen, dass ich erschrocken zurücksprang.
Daniel starrte mich an, dann fielen seine Gesichtszüge enttäuscht zusammen. Er sagte etwas, doch ich verstand kein Wort.
„Mach die Musik leiser!“, schrie ich ihn an.
Er folgte meiner Aufforderung, dann sagte er: „Ich dachte, du wärst Felix.“
„Er ist immer noch nicht da?“
Daniel schüttelte den Kopf. „Ich hab ihn bestimmt zehnmal angerufen, aber er geht nicht ans Handy.“
„Aber es ist zumindest nicht aus, oder. Wenn er überfahren worden oder von einer Brücke gefallen wäre, würde direkt die Mailbox drangehen.“
Daniel setzte zu einer Erwiderung an, als die Türklingel schrillte.
„Das ist für mich“, rief ich und ging an die Sprechanlage. „Elena?“
Erst hörte ich gar nichts. Dann war da plötzlich eine Art heiseres Röcheln. Vor Schreck ließ ich beinahe den Hörer fallen. Ich musste an die vielen Horrorfilme denken, die ich in meinem Leben gesehen hatte.
„Wer ist da?“, fragte ich ängstlich.
Das Röcheln wurde zu einem Schnaufen. Dann hörte ich einen lauten Rumms. „Die, die gerade deine Kisten vom Auto zur Haustür schleppt. Schick deine beiden Mitbewohner runter, damit sie das Zeug hochtragen.“
„Du hast mich zu Tode erschreckt!“
„Besser als zu Tode geschleppt – was bei mir gleich der Fall sein wird.“
„Schon gut. Dani!“
„Was?“
„Elena hat meine Kisten bei Leon abgeholt. Kommst du mit runter und hilfst hochtragen?“ Ich hörte sein unwilliges Seufzen. Im nächsten Moment erschien er trotzdem im Flur und zog sich Schuhe an.
Als wir unten ankamen, hatte Elena schon drei der fünf Kisten vor dem Hauseingang abgestellt.
„Nenn mich eine mathematische Analphabetin, aber fehlt da nicht jemand?“, fragte sie augenzwinkernd.
„Dasselbe könnte ich fragen : Wollte Steffen nicht mitkommen?“
„Nein, wollte er eben nicht.“ Sie seufzte. „Erzähl ich dir oben. Erst die Arbeit, dann das Vergnügen.“ Sie grinste schief. „Hi Daniel.“
„Selber hi.“ Er nickte meiner besten Freundin zu. Sie kannten sich nur flüchtig über mich. Die paar Mal, die sie Gelegenheit gehabt hatten, sich länger als zwei Minuten am Stück miteinander zu unterhalten, hatten sie sich gut verstanden. Auch wenn sie, was Lebensziele und Einstellung anging, so verschieden waren wie… na ja, wie Felix und ich.
Zu dritt hatten wir mein Hab und Gut innerhalb von zehn Minuten nach oben geschafft. Die Kisten ließ ich kreuz und quer in meinem Zimmer platzieren. Bei dem Anblick musste ich grinsen. Felix würde einen Anfall kriegen, weil er nicht mal mehr von seinem Bett zur Tür gelangen konnte, ohne über eine Kiste zu stolpern. Das Grinsen verging mir augenblicklich bei dem Gedanken, dass Felix vielleicht gar nicht wiederkommen würde.
Ich ließ mich seufzend auf das Sofa fallen. Elena blieb mitten im Raum stehen und sah sich um. „Gemütlich ist was anderes.“
Ich zuckte mit den Achseln. „War Leon da?“
Elenas Miene veränderte sich augenblicklich. Obwohl sie diesen Ausdruck nicht oft in den Augen hatte, erkannte ich ihn sofort. Es war Mitleid. „Ja, war er.“
„Und?“
Elena seufzte. „Und gar nichts, Maja.
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