Liebster Mitbewohner
Ich hab ihm deinen Schlüssel zurückgegeben, er hat mir geholfen, die Kisten runter zu tragen. Das war’s.“
„Das war’s?“, wiederholte ich ungläubig.
„Naja, er hat noch gefragt, wie es dir geht. Da waren wir gerade dabei, die Kisten runterzutragen. Ich habe gesagt, die Antwort darauf gebe ich ihm später.“
„Hä? Warum das?“
„Weil ich behauptet habe, dass es dir super geht und du froh bist, ihn los zu sein. Hätte ich ihm das in dem Moment gesagt, hätte er mir vielleicht nicht mehr mit den Kisten helfen wollen.“ Elena grinste selbstzufrieden.
Ich wusste nicht, was ich davon halten sollte. War Elena zu weit gegangen? Mit der Aussage, ich wäre froh, ihn los zu sein, hatte sie die Kluft zwischen mir und Leon doch nur noch vergrößert. Jetzt dachte er wahrscheinlich umso mehr, dass seine Entscheidung, die Beziehung zu beenden, die richtige gewesen war.
„Schau mich nicht so an, Maja. Glaub mir: Was ich gesagt habe, war das Beste. Oder willst du etwa das Opfer sein, das ihrem Ex-Freund, dem Arschloch, ewig hinterherheult?“
„Wenn du es so formulierst….“
„Das ist keine Frage der Formulierung, sondern des Prinzips. Ach ja, und er wollte wissen, wo du jetzt wohnst.“
„Und was hast du geantwortet? Dass ich mir noch am Abend der Trennung einen heißen Lover zugelegt hab und direkt zu ihm gezogen bin?“
„Ich hab daran gedacht, kam aber zu dem Schluss, dass Leon das eh nicht glauben würde. Also hab ich ihm die Wahrheit gesagt. Aber nein, ich glaube trotzdem nicht, dass er demnächst vor eurer Tür steht und dich wiederhaben will. Vergiss ihn! Der ist es nicht wert!“
Sagte sie so einfach. Aber weil ich keine Lust auf weitere Diskussionen zu dem Thema hatte, schnitt ich ein neues an: „Hast du dich mit Steffen gestritten?“
Nun war es an Elena zu seufzen. Sie setzte sich neben mich. „Nicht so richtig. Aber manchmal habe ich seine Launen und diese Ich-mache-nur-was-ich-will -Haltung so was von satt. Ist es ein dermaßen großes Opfer, mir zu helfen, fünf Kisten von A nach B zu fahren?“
„Das sollte es zumi ndest nicht sein“, gab ich ihr Recht. Zum einen, weil ich das Gefühl hatte, dass Elena Zustimmung wollte. Und zum anderen, weil ich schon lange so über Steffen dachte. Bisher war es Elena gewesen, die das Verhalten ihres Freundes konsequent schöngeredet hatte.
„Genau! In einer Beziehung sollte es doch selbstverständlich sein, dass man sich gegenseitig hilft. Auch, wenn mal nichts für einen selbst dabei rumkommt!“
Ich war versucht, ihr wieder zuzustimmen, doch hielt inne. Besser nicht zu weit aus dem Fenster lehnen. Am Ende befand sich Elena nur in einer trotzigen Phase – da käme es nicht so gut, wenn ich allzu sehr auf ihrem Freund rumhackte. „Sag mal, willst du gerade nur deine Wut rauslassen oder bist du allgemein mit der Beziehung unzufrieden?“
Elena verengte ihre dunklen Augen zu misstrauischen Schlitzen. „Wieso?“
„Weil… es würde mir helfen, die Situation besser einschätzen zu können. Damit ich weiß, wie ich damit umgehen muss.“ An Elenas finsterer Miene merkte ich, dass ich einen Stein ins Rollen gebracht hatte.
„Du würdest dich also anders verhalten, wenn du wüsstest, dass ich nur mal Dampf ablassen muss? Inwiefern?“
„So ist das auch wieder nicht. Wenn du das sagst, hört es sich an, als wäre ich total berechnend.“
Elena hob nur ihre fein geschwungenen Augenbrauen.
Bei allem Mitgefühl für ihre Situation: Als berechnend ließ ich mich von ihr nicht bezeichnen. Auch nicht non-verbal. „Ich mag Steffen nicht“, sagte ich deshalb ganz ehrlich.
Seltsamerweise verzog Elena keine Miene. „Ich weiß.“
Mir klappte der Mund auf.
„Ach komm“, sagte Elena ungeduldig. „Ich habe andere Freundinnen, d ie weitaus subtiler sind als du. Und selbst bei denen weiß ich, dass sie Steffen für einen großen Fehlgriff halten.“
„Aber… wieso hast du nie was gesagt?“
„Wieso sollte ich? Ehrlich gesagt ist es mir egal, was alle anderen von meinem Freund halten, solange ich mit ihm zufrieden bin.“
„ Und das warst du auch die ganze Zeit, oder?“
Elena grinste, doch es wirkte bitter. „Ist das jetzt Wut-rauslassen-konformes Verhalten von dir?“
Ich verdrehte die Augen. „Ich meine es ernst. Du hast immer den Eindruck gemacht, dass dir Steffens Launen egal sind.“
„Wie naiv du manchmal bist, Maja. Natürlich ist es mir nicht egal, wenn er die Küche nach dem Kochen nicht aufräumt, die ganze Nacht
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