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Liebster Mitbewohner

Liebster Mitbewohner

Titel: Liebster Mitbewohner Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Fiona Winter
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zum Hals raushängen.“
    Leons Worte fielen mir wieder ein. Es war, als säße ich einmal mehr am Frühstückstisch und musste mir seine ungerechten Urteile über mich anhören. Oder waren sie am Ende gar nicht so ungerecht? „Genau aus diesem Grund hat sich mein Ex von mir getrennt: Weil ich angeblich keinen Funken Zielstrebigkeit besitze und nur aus Spaß immer wieder was Neues anfange. Ach nein, warte, nicht aus Spaß. Aus Faulheit. Weil ich nämlich gar keinen richtigen Beruf haben will.“ Wieder nagten diese hässlic hen Zweifel an mir. Hatte Leon Recht? Kannte er mich am Ende doch besser als ich mich selbst?
    „Was für ein Idiot.“
    Überrascht starrte ich Felix an.
    „Im Ernst. Klingt wie ein echter Spießer. Aber was will man von einem Anwalt auch erwarten? Was hast du dir dabei gedacht, dir so einen anzulachen?“
    Ich musste grinsen. „Meinst du das ernst?“
    „Du bist der zielstrebigste Mensch, den ich bisher getroffen hab. Dein Ziel ist es, den Traumjob schlechthin zu finden. Das ist geradezu ekelerregend naiv und idealistisch, da will ich nichts beschönigen. Aber weder ziellos noch arbeitsscheu. Meine Meinung.“
    Ich schluckte schwer. Wer hätte gedacht, dass dieser ehemalige Mitschüler, mit dem ich niemals befreundet gewesen war, mich besser kannte als der Mann, mit dem ich eine Beziehung geführt und zusammen gewohnt hatte?
    „Trotzdem ist es falsch , was du machst. So wirst du in zwanzig Jahren noch auf der Suche sein. Und was manche Leute bei einer Siebenundzwanzigjährigen vielleicht noch süß und charmant finden, sieht bei einer Siebenundvierzigjährigen komplett anders aus.“
    Ich warf mein Kissen nach ihm. „Solange wird‘ ich aber nicht mehr suchen müssen! Kunst ist das, was mich schon immer interessiert hat. Ich werde es machen, also gib dir keine Mühe, mich davon abbringen zu wollen.“
    „Wieso sollte ich dich davon abbringen wollen? Meinst du, nur weil wir gerade ein einigermaßen normales Gespräch geführt haben, in dem wir uns nicht gegenseitig umbringen wollten, interessiert es mich plötzlich, ob du dein Leben verpfuschst?“ Er warf das Kissen zurück.
    Ich fing es grinsend auf. „Nein, dafür braucht man mehr Menschlichkeit, als du jemals besitzen wirst.“
    „Siehst du.“ Er drehte mir demonstrativ den Rücken zu. „Mach das Licht aus, ja?“
    „Mach ich. Wenn ich schlafen gehe. Also in etwa vier Stunden.“
    „Nervensäge.“
    „Idiot.“
    „Idealistin.“
    „Burnout.“
    „Das ist keine Beleidigung.“
    „Egal. Ich wollte es nur noch mal gesagt haben.“
     
     
    Kapitel 5
     
    Es wäre übertrieben zu behaupten, dass dieses Gespräch alles verändert hätte. Felix und ich stritten immer noch. Es war unsere bevorzugte Kommunikationsform. Aber ich fürchtete nicht mehr, dass er mir jeden Moment Bücher um die Ohren werfen würde. Ich hatte den Eindruck, als wäre von Felix eine Last abgefallen.
    Er lächelte öfter. Er redete. Machte sogar Witze, wenn auch meistens auf meine Kosten. Und er verbrachte nicht mehr den ganzen Tag in unserem Zimmer. Daniel bekam beinahe einen Herzinfarkt, als er am nächsten Morgen schlaftrunken in die Küche getaumelt kam und Felix dort stand und Kaffee kochte. Als ich von der Arbeit nach Hause kam, fing mich mein bester Freund ab und erzählte mir die Episode. Er wirkte immer noch verstört.
    Am Tag darauf passierte exakt dasselbe. Und am nächsten Tag, einem Montag, berichtete Daniel mir sogar, Felix habe nach dem Frühstück d ie Wohnung verlassen. Und als dieser ein paar Stunden später heimkam, erzählte er, er sei auf Jobsuche gewesen. Es hatten sich wohl tatsächlich ein paar Möglichkeiten ergeben, denn als ich in unser Zimmer kam, saß Felix auf meinem Sofa, mit meinem Notebook auf dem Schoß. Er müsse Bewerbungen schreiben, sagte er. Und nein, er habe nicht meine Festplatte nach peinlichen Dateien durchsucht. Hätte er aber beinahe, denn wer so dämlich wäre, sein Notebook nicht mit einem Passwort zu schützen, habe es nicht besser verdient.
    Ich meckerte ihn an, dass er sich gefälligst ein eigenes Notebook zulegen sollte. Zu meiner Überraschung nickte er nachdenklich und sagte, er würde sich darum kümmern.
    Hätte ich geahnt, welche Folgen meine harmlose Äußerung nach sich ziehen würde, hätte ich wohl den Mund gehalten. Und Felix mit Freude mein Notebook zur Verfügung gestellt, wann immer er es haben wollte.
     
    Vier Tage, nachdem Felix auf meinem Notebook seine Bewerbungen geschrieben hatte, weckte

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