Liebster Mitbewohner
mich laute Rock-Musik. Oder vielleicht war es auch nicht die Musik selbst, sondern das erdbebenartige Vibrieren der Wände, das sie mit sich brachte.
Ich warf einen Blick zum Bett. Es war leer. Ach ja, Felix hatte gestern etwas von einem Vorstellungsgespräch gemurmelt, aber partout nicht näher darauf eingehen wollen.
Jedenfalls war heute Freitag - für mich der einzige Tag dieser Woche, an dem ich weder arbeiten musste, noch irgendwelche interessa nten Vorlesungen an der Uni hatte. Die Strafrecht-Vorlesung, bei der ich den vorherigen Freitag gewesen war, fand nur alle zwei Woche statt. Keine Arbeit. Keine Vorlesungen, selbst wenn ich zur Uni hätte gehen wollen. Eigentlich hatte ich vorgehabt, bis zum Nachmittag durchzuschlafen. Ich richtete mich auf. Mit der Decke um den Körper bewegte ich mich langsam aus meinem Zimmer, durch den Flur, auf Daniels Zimmer zu. Ohne zu klopfen riss ich die Tür auf. „Spinnst du, es ist noch mitten in der Nacht!“ Erst in diesem Moment fiel mir ein, dass ja auch Miri zu Besuch sein könnte. Die Musik laut aufzudrehen war eine in WGs durchaus öfter angewandte Methode um… na ja, um gewisse andere Geräusche zu überdecken. Hatte ich zumindest mal irgendwo gehört. Instinktiv wandte ich das Gesicht ab und begann, mich rückwärts zu bewegen.
Die Musik stoppte abrupt. „Es ist halb zwölf!“
Ich wagte, wieder hinzusehen. Und erblickte zum Glück nur Dani, der grinsend vor seiner Anlage stand.
„Sag ich doch“, maulte ich. „Schon mal was von Rücksichtnahme gehört? Und warum bist du eigentlich so früh auf?“
Daniels Grinsen wurde noch breiter. „Ich habe eine Überraschung.“
„Muss das unbedingt jetzt sein ? Ich wollte mich noch mal hinlegen.“
„Das geht nicht, wir haben noch eine Menge vorzubereiten. Mit der Auswahl der Songs bin ich fast durch, aber wir müssen noch einkaufen, dekorieren und… oh, den Leuten Bescheid sagen.“
„Klingt wie eine Party.“
„Es wird eine Party. Heute Abend! Zur Feier des Tages!“
„Zur Feier welchen Tages?“, fragte ich und ließ mich auf die Kante von Daniels Bett sinken. Ich wollte schlafen.
„Mann Maja, das sagt man halt so. Aber zu feiern haben wir wirklich was: Dass du und Felix euch vertragt, zum Beispiel. Wir sind jetzt offiziell eine harmonische Dreier-WG. Apropos: Wann bekomme ich deinen Teil der Miete?“
„Sobald du mir deine Kontonummer gibst.“
„Ah ja, das erledigen wir später. Außerdem bekommt Felix vielleicht heute einen Job. Dann hätten wir sogar doppelt Grund zum Feiern. Ist das nicht toll?“
„Das verkaufst du mir als Überraschung? Für mich hört sich das eher nach einer Menge Arbeit an, von der ich einen nicht unerheblichen Teil übernehmen soll.“
„Sei nicht so spießig. Geh ins Bad und mach dich erst mal fertig. Wenn du rauskommst, wird schon frischer Kaffee bereit stehen. Na, wie klingt das?“
„So, als ob ich keine Wahl hätte.“
Mein schöner freier Tag artete zu einem Tag voller Arbeit aus. Zuerst rief ich Elena und Selina an, und dann noch ein paar weitere Bekannte, die ich noch aus der Schule oder von der Uni kannte. Anschließend wurde ich zum Einkaufen geschickt. Daniel drückte mir eine handgeschriebene Liste in die Hand.
„Und bring die Quittung mit. Wir teilen später alles durch drei.“
Im Treppenhaus traf ich Felix. „Wo gehst du hin? Wolltest du nicht bis vier Uhr schlafen?“
Bei der Erinnerung daran seufzte ich sehnsüchtig. „Unser durchgeknallter Mitbewohner hat mir einen Strich durch die Rechnung gemacht. Ich warne dich: Wenn du da jetzt raufgehst, musst du wahrscheinlich die Küche dekorieren oder so.“
„Klingt nach Party.“
„Es wird eine Party. Heute Abend. Uns zu Ehren. Und… ach ja, wie ist es mit deinem Vorstellungsgespräch gelaufen?“
Er grinste nur.
„Aha, also positiv. Wo?“
„In dem Café gegenüber von deinem Buchladen.“
„Als Kellner?“ Bei der Vorstellung, wie Felix krampfhaft versuchte, freundlich zu den Kunden zu sein, musste ich grinsen.
„Was gibt’s da zu lachen?“
„Mal ehrlich, das ist wohl kaum der perfekte Job für dich, oder? Du bist nun nicht gerade mit angeborener Höflichkeit ausgestattet.“
Felix‘ Augen blitzten. „Zum Glück muss ich nicht den perfekten Job finden. Mir reicht einer, der es mir ermöglicht, meine Miete zu bezahlen. Und zu deiner Information: Ich kann ein sehr netter Mensch sein. Aber nur gegenüber denen, die es verdient haben.“
„Ich hab dich gerade vor Daniel
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