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Lied aus der Vergangenheit

Lied aus der Vergangenheit

Titel: Lied aus der Vergangenheit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: A Forna
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erwiderte, er wisse es nicht.
    »Na ja, wenigstens hat er ein Bad und einen Haarschnitt bekommen«, sagte Saffia. »Und neue Kleider.«
    »Wahrscheinlich stammte die ganze Idee überhaupt von ihm«, sagte Julius, und wieder lachten alle. »Er könnte gerade in diesem Moment das Land verlassen.«
    »Das ist es! Das ist es!«, schrie Kekura. Er packte Julius’ Hand und schüttelte sie enthusiastisch. » Das ist die Pointe. Danke, mein Freund! Ich bin Ihnen was schuldig! Sie haben einen Wunsch frei!«
    Julius lächelte. Kekura stand auf, wobei er seinen Stuhl fast umwarf, wischte sich den Mund und legte die Serviette wieder neben seinen Teller, zupfte sein Jackett zurecht und sagte: »Nun, gute Leute, bis zum nächsten Mal.« Er wandte sich mit einer Verbeugung an Saffia. »Ein weiteres köstliches Mahl, Madam. Ich danke Ihnen.« Er tätschelte seinen Bauch, was Saffia ein Lächeln entlockte.
    Ich wünschte mir, ich hätte daran gedacht, das Essen zu loben.
    Es ging auf elf Uhr zu. Die nächtliche Ausgangssperre war inzwischen aufgehoben worden; trotzdem behielten die Leute die Angewohnheit bei, abends relativ früh wieder nach Hause zu gehen. Spätestens um Mitternacht waren die Straßen wie leer gefegt. Ade bat Kekura um eine Mitfahrgelegenheit. Julius und Saffia erhoben sich, um sie hinauszubegleiten. Ich stand auf, um ihnen die Hand zu geben. Höchstwahrscheinlich erwartete man von mir, dass ich ebenfalls gehen würde, aber ich blieb.
    Nachdem die Tür zugefallen war, standen wir drei herum. Dann fragte mich Julius, ob ich ihm bei einem Whisky auf der Veranda Gesellschaft leisten wollte. Er schenkte uns aus einer Flasche Red Label je einen halben Tumbler Scotch ein. Er reichte mir mein Glas und setzte sich schräg neben mich, die Beine vor sich ausgestreckt. Von meinem Platz aus hatte ich einen Blick auf sein entspanntes Profil. Er trug einen Bart, habe ich das schon erwähnt? Zu jener Zeit war das schon ein etwas unkonventioneller Akt. Lange Zeit sagte er nichts, sondern starrte nur über das Balkongeländer.
    Ich fragte mich, wo Saffia währenddessen sein mochte.
    »Sehen Sie das?«, sagte Julius und deutete mit seinem Glas unbestimmt auf die Aussicht. Verstreute Lichter markierten die Stadt und, weiter weg, die Umrisse der Halbinsel. Über uns die Sterne. Der Mond war hinter der Traufe verborgen. Ein einzelnes fernes Licht brannte ein winziges Loch in die dicke Schicht von Schwarz, die Erde von Himmel trennte, höchstwahrscheinlich ein ausländischer Trawler. Zwei Reihen sich bewegender Lichter zogen über einen Streifen Schwärze zwischen Halbinsel und Festland hin und her.
    »Als Kind lebte ich ein paar Jahre lang bei einer meiner Tanten in der Stadt. Meine Mutter war verstorben, müssen Sie wissen. Meine Tante, das war eine strenge Frau. Und wie!«, und er lachte. »Ich würde gern sagen, dass ich sie lieb hatte, aber das wäre eine Lüge. Die Frau war eine Tyrannin. Eine gierige Tyrannin. Sie nahm mich von der Schule, für die mein Vater Schulgeld zahlte, und benutzte mich als ihren Laufburschen. Jeden Tag schickte sie mich mit irgendwelchen Botschaften über die Bucht in die Stadt. Damals gab es eine Fähre, eine Personenfähre.«
    »Ich erinnere mich«, sagte ich. Die Fähre war genau genommen ein Fischerkanu, das von einem einzelnen Mann gestakt wurde. Ich war, soweit ich mich erinnern konnte, ein- oder zweimal damit gefahren, um Verwandte zu besuchen. Die Strömungen auf dem Wasser konnten gefährlich werden.
    »Ich war fast immer das einzige Kind an Bord. Die anderen Passagiere, diejenigen, die ich jeden Tag sah, fühlten sich immer für mich verantwortlich. Manche von ihnen glaubten, unter dem Wasser lebe ein böser Geist. Sie wissen ja, wie die Leute sind – sie glaubten, solche Geister würde es besonders zu kleinen Kindern hinziehen. Eines Tages gerieten wir nach einem heftigen Regen in bösartige Strömungen. Das Boot trudelte wie eine Kompassnadel.« Er trank einen Schluck aus seinem Glas, beugte sich zur Flasche vor und goss sich etwas nach. Dann schob er die Flasche zu mir herüber. »Es dauerte ein paar Minuten. Nicht mal. Sekunden. Aber alle im Boot gerieten in Panik. Als wir das andere Ufer erreichten, halfen sie mir beim Aussteigen und setzten mich an Land ab. Wir waren alle in Sicherheit, aber irgendwie waren sie wie elektrisiert. Ich weiß auch nicht, warum. Möglicherweise hatten einige Angst um ihr Leben gehabt. Na ja, was auch immer der Grund sein mochte, in diesen Augenblicken geschah

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