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Lied aus der Vergangenheit

Lied aus der Vergangenheit

Titel: Lied aus der Vergangenheit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: A Forna
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etwas. Einer der regelmäßigen Fahrgäste, eine Frau, bestand darauf, mich am Abend heimzubegleiten und mit meiner Tante zu sprechen. Ich machte mir Sorgen, wie meine Tante reagieren würde, aber ich wagte es nicht, einem Erwachsenen zu widersprechen. Ich führte die Frau zu dem Haus, in dem ich wohnte. Verglichen mit meiner Tante, war diese Frau wohlhabend. Das konnte meine Tante sehen. Sie bat die Frau herein, während ich draußen wartete. Ich habe keine Ahnung, was da gesprochen wurde. Aber an dem Tag hörte meine Tante auf, mich über die Bucht zu schicken, ja hörte überhaupt auf, mich als Laufburschen einzusetzen, und schickte mich wieder auf die Schule, damit ich weiterlernte. Sie hielt sich an die Vereinbarung, die mein Vater mit ihr getroffen hatte.«
    Er saß ein paar Sekunden lang reglos da, in Gedanken versunken. Schnaubte dann leise, als hätte er jetzt die Geschichte verstanden oder sich wieder erinnert, warum er sie überhaupt erzählt hatte.
    »Jetzt gibt’s eine Brücke. Von den Deutschen gebaut. Man kann direkt in die Stadt fahren. Dauert keine Minute. Wie finden Sie das?«
    »Ich weiß«, sagte ich, »ich fahre jeden Tag über diese Brücke.«
    »Ah, Sie wohnen auf der Halbinsel.«
    »Wer war sie? Die Frau?«, fragte ich.
    »Keine Ahnung«, antwortete er. »Eine gute Seele. Oder vielleicht auch nicht. Nur eine ganz gewöhnliche Frau, die einmal etwas Gutes getan hat. Aber so oder so – ohne sie wäre ich jetzt nicht hier. Ich wäre dankbarer gewesen, wenn ich geahnt hätte, was für einen Gefallen sie mir erwiesen hatte.« Er sprang, plötzlich lebhaft, auf. »Lassen Sie uns etwas Musik hören!«
    »Ich sollte eigentlich gehen.« Ich stand auf.
    »Ich fahr Sie«, sagte er. »Nur noch ein paar Minuten.« Er wandte sich ab und verschwand im Haus. »Was möchten Sie hören?«, rief er über die Schulter zurück. »Fela Kuti?«
    Ich machte mir nicht sonderlich viel aus Musik. Ich besaß keinen Plattenspieler, lediglich ein Radio. Ich erwiderte: »Ja, warum nicht. Fela Kuti.«
    »Oder Ihren Namensvetter?«
    »Das wäre?«
    »Nun kommen Sie schon, Elias!« Er zog eine Schallplatte aus der Hülle, legte sie auf den Plattenteller und setzte dann die Nadel behutsam auf das Vinyl. Saffia betrat das Zimmer, gerade als es sich mit Nat King Coles Stimme füllte. Als sie hinter ihm vorbeiging, streckte Julius den Arm nach ihr aus, wirbelte sie herum und wieder zurück zu ihm. Auf diese Weise überrumpelt, stieg Saffia in seinen Armen sofort mit ein.
    »Gefällt Ihnen die Musik, Elias?«, rief Julius zu mir hinüber.
    »Ja, wirklich«, brachte ich irgendwie heraus. »Sehr!«
    »Dann gehen Sie an einem der nächsten Tage mit uns aus. Ins Talk of the Town. Bringen Sie jemand mit.«
    Eine halbe Stunde später fuhren wir, Seite an Seite im Variant, über die Brücke. Auf beiden Seiten glitzerte der Mond dunkel im Wasser. Julius sagte nichts, pfiff aber das Nat-King-Cole-Stück. Er traf kaum einen Ton, aber das schien ihn nicht weiter zu stören oder ihm auch nur bewusst zu sein. Er setzte mich vor meinem Haus ab, und ich dankte ihm.
    »Jederzeit. Absolut jederzeit, mein Freund.« Er winkte mir im Wegfahren zu. Doch anstatt zu wenden, fuhr er geradeaus weiter, den langen Weg um die Halbinsel herum.
    Um zwei Uhr früh war ich noch immer wach. Das Herz hämmerte mir trocken in der Brust. Gedanken zogen Kreise in meinem Bewusstsein. Ich ließ verschiedene Momente, Teile der Konversation des vergangenen Abends, Revue passieren. Aus unerfindlichen Gründen dachte ich ebenso sehr an Julius wie an Saffia. Schließlich stieg ich aus dem Bett. Ich tastete mich in die Küche, fand den Lichtschalter, knipste ihn an und füllte mir ein Glas mit Wasser aus der Leitung. Mein Notizheft lag auf dem Tisch. Ich setzte mich hin und schrieb ein paar Einzelheiten auf, zum Teil weil ich befürchtete, sie vielleicht zu vergessen, hauptsächlich aber, um sie aus meinem Kopf zu verbannen.
    Schließlich ging ich wieder ins Bett und verfiel in einen unruhigen Schlaf.
    Fing es da an? Im Garten vor der Pracht der Harmattan-Lilien? Oder später, als ich den beiden beim Tanzen zusah? Oder schon Wochen zuvor, beim Fakultätsfrauendinner? Das ist schwer zu sagen. Anfänge sind so schwer auszumachen. Vielleicht würde jeder von uns dreien den Anfang an einem anderen Punkt ansetzen, wie Spieler, die mit verbundenen Augen versuchen, einem Eselsbild den Schwanz anzupinnen.
    Drei verschiedene Anfänge. Drei verschiedene Enden, für jeden von uns

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