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Lied aus der Vergangenheit

Lied aus der Vergangenheit

Titel: Lied aus der Vergangenheit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: A Forna
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eins.

4
    Das Talk of the Town. Ich weiß nicht mehr, was mich vor ein paar Jahren in diese Gegend führte, aber ich merkte, dass ich in der Nähe des Lokals war, und schlenderte durch eine nicht verschlossene Tür hinein. Mittlerweile hat es einen anderen Namen, den vierten oder fünften in soundso viel Jahren. Fällt mir momentan nicht ein. Ruby Rooms, Ruby Lounge? Ansonsten hatte sich nichts geändert.
    Innen derselbe rote Teppich, mit dunklen Flecken übersät und an den Rändern angenagt. Im Halbdunkel der pockennarbige Samt der Polsterbänke, die abblätternden Holzoptik-Oberflächen der Tische, wie eins der Mädchen, die im kalten Morgenlicht draußen vor dem City Hotel stehen. Die Tanzfläche erschien lächerlich klein, und selbst menschenleer wirkte das Lokal beengt; die Luft war schlecht und stank nach Schweiß, saurem Bier und Pissoir. Auf der Bühne stand ein einsamer Klavierhocker, aber weit und breit kein Klavier. Ein Mann war gerade dabei, leere Getränkekästen zu stapeln. Er sah nicht auf und hielt es auch nicht für erforderlich zu grüßen, was mir die Notwendigkeit ersparte, meine Anwesenheit zu erklären.
    Julius und Saffia und Vanessa und ich. Vor dreißig Jahren. Zusammen traten wir durch die Tür und weiter auf den opulenten roten Teppich. Vier alte Freunde für jeden, der uns von draußen gesehen hätte. Die Atmosphäre nach Zigarettenrauch duftend, nach den Dünsten starker Alkoholika. Julius, das Jackett über die Schulter geworfen, ging voraus; dicht hinter ihm folgten Saffia und Vanessa. Ich kam als Letzter. Gehört hatte ich vom Talk of the Town schon, doch das war mein erster Besuch. Vanessa war natürlich schon vorher da gewesen. Um ehrlich zu sein, waren mir schlichte Bars lieber, und ich ging hin, wann immer ich aus meiner häuslichen Umgebung herauswollte. Nicht auf der Suche nach Gesellschaft; ich zog die Kontemplation der Konversation vor. Und diese Art öffentlicher Lokalitäten hat auf mich nie einladend gewirkt, eher sogar etwas abschreckend. Wie gesagt, ich machte mir wenig aus Musik, und wenngleich ich durchaus tanzen konnte, waren meine diesbezüglichen Talente mit Sicherheit nie Gegenstand lobender Bemerkungen gewesen.
    Vanessa drehte den Kopf hierhin und dorthin, um zu sehen, wer da war, und außerdem um sich der Wirkung ihres Auftritts zu vergewissern. Sie trug ein trägerloses gelbes Kleid, das ich schon mal gesehen hatte, allerdings an einer anderen Frau. Auf dem Kopf trug sie so eine Art Haarschmuck, der mit Nadeln fixiert wurde. Das ganze Ensemble sah stachelig und gefährlich aus. Wenn sie den Kopf herumwarf, musste man befürchten, dass die Augen eines Unbeteiligten an ihr hängen blieben, wenngleich vielleicht nicht in dem Sinne, der ihr vorschwebte.
    Julius wurde von einem Bekannten aufgehalten, und so führte (trieb) ich die zwei Frauen weiter auf der Suche nach einem Tisch. Es waren genau solche Augenblicke, die es mir verleideten, in der Öffentlichkeit, unter Menschen zu sein. Glücklicherweise übernahm Vanessa jetzt die Regie und schoss zu einem Tisch vor, an dem die Leute gerade aufstanden. Als sie sich zusammenscharten, schlüpfte sie durch die Gruppe, rutschte mit dem Hintern über die Polsterbank und ließ ihre Handtasche wie eine Trophäe vor sich auf den Tisch plumpsen. Ich folgte ihr, trat beiseite, damit auch Saffia auf die Bank rutschen konnte, und setzte mich dann ihr gegenüber auf einen der Hocker.
    Es war das erste Mal, dass ich die Möglichkeit hatte, Saffia den ganzen Abend lang richtig anzuschauen. Sie hatten uns mit dem Variant abgeholt, und Saffia hatte sich zusammen mit Vanessa in den Fond gesetzt, während ich vorn, neben Julius, einstieg. Jetzt lehnte sie sich vor, hielt kurz inne, um die Tischplatte zu inspizieren und mit einer überzähligen Serviette abzuwischen, bevor sie sich mit den Unterarmen daraufstützte. Ihre Arme waren nackt, sie trug ein cremefarbenes Kleid mit einem U-Ausschnitt und großen schwarzen Punkten, das in der Taille von einem schwarzen Gürtel zusammengehalten wurde, dazu ein passendes Schultertuch. Ich bemerke solche Dinge, die meisten Männer tun das nicht. Zumindest behaupten wir das, vermutlich aus Angst, weniger männlich auszusehen, wenn wir das zugeben würden. Aber vor allen Dingen erinnere ich mich an jeden Augenblick jenes Abends.
    Vanessa, die neben Saffia saß, schaute in die Gegend und trug dabei eine leicht missmutige Miene zur Schau, von der sie annahm, dass sie als Ausdruck vornehmer Blasiertheit

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