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Lied aus der Vergangenheit

Lied aus der Vergangenheit

Titel: Lied aus der Vergangenheit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: A Forna
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schnaubt anstelle einer Antwort. »Für wie lange? Ich meine, ich geh davon aus, dass Sie nicht immigriert sind.«
    »Ich bin für ein Jahr hierher versetzt.«
    »Dann haben Sie also nicht vor, sich hier auf Dauer niederzulassen. Nein, hatte ich auch nicht angenommen. Falls doch, wären Sie der erste Einwanderer seit zweihundert Jahren.« Kai Mansaray lacht über seinen eigenen Scherz, ein heiseres ohrenbetäubendes Geräusch. »Wir haben nicht mal Touristen. Außer von Ihrer Sorte, heißt das.«
    »Meiner Sorte?«
    Der Besucher beißt ein weiteres Stück Brot ab. »Schon gut. Was ich eigentlich meinte, war: ›Herzlich willkommen!‹« Er hebt die Kaffeetasse.
    »Danke«, sagt Adrian und trinkt einen Schluck von seinem kalt gewordenen Kaffee.
    Für den Rest der Mahlzeit Schweigen, mehr oder minder. Als sie mit dem Essen fertig sind, stellt Adrian die Teller zusammen und geht damit zum Mülleimer.
    »Stopp!« Der andere Mann streckt die Hände aus, nimmt Adrian die Teller ab und schabt die Reste der Mahlzeit in die leere Plastiktüte. Einen Augenblick lang hält er diese mit ausgestrecktem Arm über den Mülleimer, beugt sich dann hinunter, späht in den Eimer und knurrt: »Ameisen.«
    Er hebt den Mülleimer auf, öffnet die Plastiktüte und kippt den ganzen Inhalt des Mülleimers, Saftflasche, Keksstücke, Ameisen und alles, hinein, verknotet dann die Griffe der Tüte und lässt diese in den Mülleimer fallen. Dann geht er an die Spüle und wäscht sich mit größter Sorgfalt die Hände, betrachtet die Nagelhaut, sucht unter den Nagelrändern nach etwaigem Schmutz.
    An der Tür hebt er die Hand zum Gruß. »Also. Bis zum nächsten Mal.« Er schlüpft in seine Flipflops.
    »Ja«, nickt Adrian. »Bis zum nächsten Mal.«
    Und sieht zu, wie die Tür ins Schloss fällt.

3
    Das Haus, in dem Saffia und Julius wohnten, lag in einem Gewirr von engen Sträßchen in den Hügeln hinter der Stadt. Es war blassrosa gestrichen, streifenweise von der Sonne gebleicht, mit dunkelrosa Vertiefungen und einem Wellblechdach. Ein mit Früchten beladener Orangenbaum wölbte sich über das Haus, das durch ein offenes Eisentor zu erreichen war. Ich wusste, dass ich früh dran war – dennoch stieg ich die Stufen hinauf. Noch verschwitzt vom Aufstieg in die Hügel, hielt ich kurz inne und fuhr mit dem Finger die Innenseite meines Kragens entlang. Ein Rudel von Straßenhunden rannte am Tor vorüber. Ich klopfte. Augenblicke später war Saffia da, fuhr sich mit der Handfläche über das Haar und strich sich den Rock glatt. Julius war noch nicht von der Universität zurück. Ich bot an, ein paar Schritte zu laufen und dann wiederzukommen. Natürlich wollte sie nichts davon wissen.
    »Nein, nein. Sie sind willkommen. Bitte, kommen Sie herein«, sagte sie und trat von der Tür zurück.
    Ich folgte ihr auf die rückwärtige Veranda. Die ganze Stadt lag einem zu Füßen.
    »Ein schönes Zuhause.« Meine Stimme schrillte mir selbst in den Ohren, die Worte waren zu laut herausgekommen, geradezu deklamatorisch. Außerdem war es streng genommen nicht das Haus, das eher eine bescheidene Angelegenheit war, sondern die Aussicht, die Aufmerksamkeit verdiente.
    » Mir gefällt es«, erwiderte sie, als hätte sie die Hohlheit meines Kompliments erkannt. »Eigentlich haben wir es wegen des Gartens genommen.«
    Den Garten als solchen hatte ich bislang gar nicht wahrgenommen, aber jetzt sah ich, was sie meinte. Er begann unterhalb von uns und dehnte sich in die Weite, riss den Blick mit hinaus zur Aussicht, etwa so, wenn ich recht informiert bin, wie ein Künstler ein Gemälde komponiert, um das Auge in eine bestimmte Richtung zu lenken.
    »Vielleicht zeige ich sie Ihnen besser, bevor die anderen kommen.«
    Erst verstand ich nicht, wovon sie sprach, doch dann erinnerte ich mich an den vorgeblichen Grund meines Besuches. Saffia nahm einen Korb und eine Gartenschere und ging mir, eine Wendeltreppe hinunter, voraus in den Garten.
    Zwei Fächerpalmen markierten die äußersten Ecken des Gartens, über ein Netz von Kieswegen zu erreichen, die über mehrere Terrassen hinabführten. »Baum der Reisenden« heißen die, erklärte sie mir, weil die Wedel immer nach Osten und nach Westen wiesen. Es gab Farne, zum Teil baumgroß. Obstbäume: Mandel, Limone, Guave und einen großen Brotfruchtbaum. Kumuluswolken von weißer Bougainvillea, dunkel gesäumt von anderen blühenden Kletterpflanzen, süß duftend, mit schwer hängenden violetten Blüten. Hier und da, wo

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