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Lied aus der Vergangenheit

Lied aus der Vergangenheit

Titel: Lied aus der Vergangenheit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: A Forna
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vielleicht ein Pfad hindurchführte, oder zwischen den Wurzeln eines Baumes, Keramiktöpfe mit Pflanzen. Und entlang der hinteren Mauer weitere Töpfe unterschiedlicher Größe, die zum Teil nur ein einzelnes Exemplar, zum Teil kunstvolle Arrangements von Blumen und Sträuchern enthielten. Sie zog sie, erklärte sie mir im Gehen, für Hochzeiten und dergleichen.
    Dann erreichten wir eine Lichtung und ein Gedränge elegant gekleideter Aristokraten: die Harmattan-Lilien. Sie standen prächtig da, vielfarbig, jede Tönung einer sterbenden Sonne. Ihre Stängel waren fleischig, muskulös, schamlos nackt. Die Blüten dickblättrig und obszön geöffnet, um geschwungene Staubgefäße und glänzende klebrige Stempel angeordnet.
    »Die Portugiesen haben die aus Südamerika eingeführt. Die Besitzer von brasilianischen und westindischen Zuckerplantagen haben sie gern um ihre Häuser gepflanzt. Die Zwiebeln waren sehr wertvoll.«
    Das war mir neu, und ich sagte es ihr.
    »Die wachsen wie Unkraut«, fuhr sie leichthin fort. »Egal, wo man sie hinsteckt. Völlig egal. Ja, wenn sie ausgeblüht haben, werde ich ein paar von diesen ausgraben müssen. Ich kann Ihnen ein paar Zwiebeln geben.«
    »Das würde mich freuen«, erwiderte ich, »das würde mich wirklich sehr freuen.« Es entstand ein kurzes Schweigen. Unsere Blicke begegneten sich. Sie schaute weg. Irgendwo in mir erblühte eine Empfindung.
    Saffia begann, Blumen für den Tisch zu schneiden. Ich betrachtete sie, wie sie, von mir abgewandt, vor dem Licht stand. Die Linie ihres Nackens, die Neigung ihres Kopfes, die Strähnen ihres Haares, die sie von Zeit zu Zeit mit dem Handrücken glättete. Als sie sich zu mir umdrehte, zwang ich meinen Blick zu den Blumen zurück.
    Wir setzten uns auf die Veranda und schauten zu, wie das Licht aus dem Himmel glitt. Der Duft der Nachtblumen schwebte vom Garten herauf. Saffia brachte mir ein Bier und schenkte sich selbst ein Glas Gingerale ein. Ich hörte die Tür aufgehen und Julius’ Stimme. Lachen schwappte durch das leere Haus. Ich stand schnell auf.
    »Ich sollte ein Wettbüro aufmachen«, sagte Julius gerade. »Ich könnte an Leuten wie Ihnen einiges verdienen.« Und dann erschien er, von zwei weiteren Männern begleitet. Dem einen klopfte er so herzhaft auf den Rücken, dass der Bursche fast von der Veranda flog. Er kam mir vom Campus her entfernt bekannt vor.
    Falls Julius überrascht war, mich schon vorzufinden, gab er es durch nichts zu erkennen. Es folgten wechselseitige Vorstellungen. Ade Yansaneh, der eine, den ich zu kennen meinte. Kekura Conteh, der für den staatlichen Rundfunk arbeitete. Sie begrüßten Saffia auf vertrauliche Weise. Julius beugte sich hinab und küsste sie auf den Scheitel. Ohne sich umzudrehen, hob sie eine Hand und berührte ihn leicht an der Wange. Sie bekundeten ihre gegenseitige Zuneigung auf die Art, wie Europäer es taten. Ich fand es merkwürdig, dass Julius das nicht peinlich war. Saffia stand auf und verschwand, um mit drei Bierflaschen und Gläsern auf einem Tablett zurückzukehren. Julius schaffte zusätzliche Stühle herbei. Saffia öffnete die Flaschen. Die allgemeine Unruhe legte sich.
    Julius wandte sich mir zu, er grinste. »Ade glaubt nicht, dass die Amerikaner es zum Mond schaffen werden.«
    »Es ist nicht möglich«, sagte Ade bestimmt, allerdings ohne ins Detail zu gehen. Stattdessen schüttelte er nachdrücklich den Kopf.
    »Warum nicht? Die Technik ist vorhanden. Die Russen haben das bewiesen. Mehrmals.«
    »Ein Mann ist um ein Haar im Weltraum verschollen.« Das von Kekura. Mir ging auf, dass ich seine Stimme vom Radio her kannte, hoch und rechthaberisch.
    »Ach, kommen Sie schon! Wie heißt es doch so richtig? Wo gehobelt wird, da fallen Späne. Nichts ist ohne Risiko. Das Entscheidende ist, er hat’s geschafft. Er hat einen Weltraumspaziergang gemacht!« Julius, der als Einziger direkt aus der Flasche trank, winkte Kekura mit seiner Flasche Guinness zu.
    »Dort oben hat der Mensch nichts verloren«, sagte Ade gewichtig, als wiederholte er das schon zum zigsten Mal. Ich bemerkte, dass er einen fast vollkommen geraden Haaransatz besaß. Er lief ihm quer über die Stirn, sodass der obere Teil seines Kopfes wie ein Deckel aussah. Der Haaransatz eines Pedanten.
    »Ach, Ade. Sie enttäuschen mich.«
    »Ich begreife nicht, was dabei herauskommen soll«, sagte Kekura. »Ausgewachsene Männer, die Krieg spielen!«
    »Also, in dem Punkt könnten Sie recht haben.« Julius, der sich mit

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