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Lied der Wale

Lied der Wale

Titel: Lied der Wale Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: D Thomas
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irgendwie beschwingt.
    »Aber jetzt kommt’s«, fuhr Nick fort. »Von diesem Konto ist nie auch nur ein Dollar abgehoben worden. Dort wird das Geld gehortet. Die fahren jedes Jahr über 300 000 Dollar an Zinsen ein.«
    »Du meinst, das Geld wird nicht zur Seite geschafft?«
    Nick schüttelte den Kopf. »Nein, von dem Konto aus nicht. Keine Ahnung, was das soll. Wenn sie Gelder veruntreuen wollen, dann versteh ich nicht, weshalb sie solche Riesenbeträge auf einer kalifornischen Bank herumdümpeln lassen, warum transferiert es keiner auf die Caymans? Ich kapier’s nicht. Aber auf keinen Fall sieht das nach satzungsgemäßer Verwendung von Spendengeldern aus. Da ist was faul.« Nick sah auf seine Uhr. »Mist, ich muss los. Gibst du Leah Bescheid?«
    »Du fliegst Business nach Orlando«, rief ihm ein äußerst zufriedener Geoffrey hinterher und griff sich den Stapel Papiere. Wenn das alle Kontenbewegungen der letzten vier Jahre waren, dann fühlte sich der Stapel extrem dünn an.
    Er überflog die Aufstellung.
    Sie las sich tatsächlich wie ein kleines Who’s who der mittleren bis größeren Wirtschaftsunternehmen, besonders der aus dem Gebiet der Westküste. Gerade im Silicon Valley schien man besonders spendabel zu sein. Und kein einziger Dollar war jemals von dem Konto abgehoben oder überwiesen worden.
    Geoffrey lehnte sich zurück und starrte sekundenlang an die Decke. Er würde eine Entscheidung treffen müssen.
    Als er sein Büro betrat, surfte Michael bereits durch das Angebot von Amazon.
    »Na, Sportsfreund, was gefunden?«
    »Wirklich keine Krimis?«
    »Keine Krimis, kein Science-Fiction, nur die Bücher auf der Liste.«
    »Die hören sich aber langweilig an«, moserte Michael.
    »Wenn es unter uns bleibt: zehn Dollar für jedes Buch, über das du mir eine Kurzbeschreibung lieferst.«
    »Das wären dann achtzig Dollar«, sagte Michael wie aus der Pistole geschossen und streckte Geoffrey erwartungsvoll die Hand entgegen.
    »Erst lesen, mein Lieber, dann kassieren. Sind wir im Geschäft?«
    Und ob sie es waren.
    Z ur gleichen Zeit, als der Wal Kurs auf sie nahm, konnte Leah zweierlei feststellen. Erstens, dass sie sich ruhiger und entspannter fühlte, ihre Aufregung sich legte und sie in einen Zustand zunehmender Begeisterung geriet. Zweitens, dass es sich bei dem Wal um eine Walkuh handeln musste, denn ihr kleinerer Begleiter, der da wie aus dem Nichts aufgetaucht war und dicht neben ihr schwamm, war zweifelsohne ihr Baby. Mit unendlichlangsamen Flossenbewegungen glitten die beiden auf Leah zu.
    Das Junge war höchstens fünf Meter lang, doch seine graue Farbe hatte es bereits verloren. Nachdem es zuerst auf Leah zugeschwommen war, machte es kehrt, als ob es Angst vor der eigenen Courage hätte. Dann wendete es erneut und schien Leah eine Weile zu taxieren, bevor es einen weiteren Vorstoß in ihre Richtung wagte. Nachdem der kleine Wal erkannt hatte, dass seine Ma in dem komischen Fisch mit den vielen Luftblasen keine Gefahr sah, wagte er sich näher an Leah heran. Er berührte sie nicht, doch er blieb in ihrer Nähe. Leah konnte sein Auge sehen, das neugierig durch ihre Brille zu schauen versuchte. Und sie wunderte sich nicht mal mehr, mit welcher Selbstverständlichkeit sie nun dem »Kleinen« die Hand hinstreckte, der diese tatsächlich knuffte.
    Wie Leah, so gewann auch das Walbaby zusehends an Mut und umkreiste die Taucherin nun mehrmals. Langsam näherte sich auch die Walmutter, hielt erst inne, als sie sich einen halben Meter vor ihr auftürmte. Leah streckte vorsichtig ihre Hand aus und berührte das Tier an der Stirn. Sie erwartete, wieder das leichte Kribbeln zu spüren, doch was sie jetzt empfand, war anders. Sie streckte auch die zweite Hand aus, als ob sie damit einen Kreis schließen wollte, und glaubte förmlich vor Energie zu bersten – vor Lebensmut und Freude.
    David hatte nicht übertrieben, als er von seiner ersten Begegnung mit einem Wal gesprochen hatte. Es war, als ob ein Empfänger in ihrem Herzen eingeschaltet worden wäre, und Leah hatte keinen Zweifel daran, dass sie die Sprache des Wals verstehen konnte.
    Die Walmutter bewegte sich kaum, schien fast auf der Stelle zu verharren. Leah schwamm um sie herum und strich über ihre Haut, war völlig versunken in den Kontakt zu den beidenanderen Wesen: eine Verbindung, sprachlos und doch voller Botschaften. Sie war wie in Trance, hätte stundenlang so weitermachen können. Bis die Walmutter innehielt. Sie löste sich von Leah, wartete,

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