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Lied der Wale

Lied der Wale

Titel: Lied der Wale Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: D Thomas
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deinen besonders gut.« Er sprach so leise, dass sie ihn kaum hören konnte.
    »David ...«
    »Nein, lass es, bitte. Seit ... seit wann weißt du das mit Kazuki? Dass seine Leute auf uns warten?«
    Nicht die Trauer in seiner Stimme war es, was ihr Angst bereitete, es war sein enttäuschter, tief verletzter Blick, der sie erschreckte. »Ich habe es gerade eben erfahren, dachtest du, ich würde dir so was verschweigen?«
    Sie griff wieder nach seiner Hand, aber er zog sie weg. Susanhatte mit ihrer Prophezeiung recht gehabt. Die Worte wirkten wie ein Fluch, der sie trennte. Unmöglich, sich dem anderen zu nähern, unmöglich, so zu tun, als ob nichts gewesen wäre.
    »Für meine Mannschaft, für meine Freunde hier ... Was wir hier machen, ist unser aller Lebensinhalt. Sie arbeiten ohne Bezahlung und nehmen die größten Entbehrungen in Kauf. Das Schiff ist ihr Zuhause und Mittel zum Zweck, ohne das Schiff können wir gar nichts bewirken. Und ich frage mich, was für ein Mensch du bist ... nein, das ist nicht fair, was für ein Mensch du warst. Bereit, für eine Story das alles zu zerstören?«
    »Du verachtest mich, ich weiß.«
    »Leah, wenn das, was zwischen uns passiert ist, nicht passiert wäre, hättest du es mir dann verschwiegen?«
    Sie sagte nichts. Was sollte sie ihm darauf antworten? Hätte sie? Nach all dem Engagement, das sie hier an Bord erlebt hatte? Nein. Trotzdem, er hatte recht: Sie musste sich fragen, was für ein Mensch sie eigentlich war – für eine Schlagzeile das Schicksal vieler anderer aufs Spiel zu setzen.
    Er stand auf und zog seine Jacke an.
    »Ist schon o. k. Ich werd’s überleben. Ich weiß nicht, ob wir genug Sprit haben, um ausweichen zu können. Wahrscheinlich schon. Aber es spielt auch keine Rolle mehr, wir haben ohnehin kaum Geld, um neuen zu kaufen. Gibt es noch irgendwelche weiteren Überraschungen, von denen ich wissen sollte?«
    Sie hatte ihn verloren. Seine Stimme klang nicht bösartig, nur eben wieder so wie während ihrer ersten Tage auf dem Schiff, abweisend, distanziert, wie abgeschirmt von einem Schutzwall aus Beton. Der Augenblick war nicht dazu angetan, noch irgendetwas zu verschweigen. Sie unterdrückte ihr Schluchzen und begann, das letzte traurige Kapitel ihrer Recherchen zu offenbaren: die Existenz des zweiten Kontos der SeaSpirit-Bewegung, von dem bereits die gesamte Redaktion in Washington wusste, wieauch die Tatsache, dass es nicht mehr in ihrer Hand lag, ob der ›Chronicle‹ davon Gebrauch machen würde, die Öffentlichkeit über die gebunkerten acht Millionen Dollar zu informieren.
    » Acht Millionen ? Wovon zur Hölle redest du, Leah? Mit so vielen Spenden hätten wir die ›SeaSpirit‹ aufrüsten können, hätten Schiffe dazugekauft und uns breit verteilt – nach all dem, was du hier erlebt hast, wie kannst du nur an einen solchen Blödsinn glauben?«
    Sie nannte ihm das Konto auf der Bank in Santa Ana, und die Namen der Spender nannte sie ihm auch.
    Es schien David die Sprache zu verschlagen.
    Falls die Entrüstung in seinen Augen, sein Schock, als er wutentbrannt die Kajüte verließ, tatsächlich unecht war, dann war er ein verdammt guter Schauspieler. Eine Erklärung gab er ihr jedenfalls nicht.
    Leah war klar, dass sie keine andere Wahl hatte, als die Konsequenzen zu ziehen. Die Situation würde unerträglich sein, wie sollte es weitergehen, was hätten sie sich noch sagen können? Vielleicht würde, wenn sie jetzt das Schiff verließ, zumindest eine kleine Hoffnung bestehen, die gemeinsame Zeit als etwas Schönes in Erinnerung zu behalten. Nur durch ihre Abreise konnte das, was zwischen ihnen gewesen war, auf eine gewisse Art unzerstört erhalten bleiben. Wenn sie noch blieb, wenn sie nicht sofort mit Steve das Schiff verließ, würde nur etwas unglaublich Hässliches entstehen, etwas, das das Andenken an all das Wunderbare, was sie zusammen erlebt hatten, auslöschte wie ein Tsunami.
    Sie brauchte einige Minuten, um sich zu sammeln, um Schmerz und Verzweiflung zurückzudrängen, vorerst wenigstens. Dann stand sie auf und ging in ihre Kabine. Packen.
    W oher hat sie das, kannst du’s mir bitte erklären?« David gab sich keine Mühe, seinen Ärger zu verbergen.
    »Ich hab sie unterschätzt. Sie ist richtig gut.« Steve steckte sein Vortragsmanuskript in die Reisetasche und grinste ihn an. »Ich wollte es dir sagen, David. Aber nicht jetzt. Erst bei meiner Rückkehr. Was schaust du mich so an, ich hab einfach dafür gesorgt, dass der Verein eine

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