Lied der Wale
Zukunft hat. Mit dem Geld können wir endlich eine richtig straffe Organisation aufbauen. Und diese ... diese dämlichen Schulhofraufereien vermeiden. Mensch, David, begreifst du nicht, wie viel mehr wir erreichen können, wenn wir von Land aus operieren? Hast du mir gestern nicht was von Walpatenschaften erzählt? Das ist ein Riesending! Wir haben so viele Wale markiert. Und wir werden es hier und da weiter tun. Ohne uns ständig mit anderen anzulegen!«
David war fassungslos. »Also hat Leah recht. Du führst ein zweites Konto, du schleust Spendengelder an uns vorbei und ...«
»Jetzt mach dich mal locker«, unterbrach ihn Steve barsch, »du klingst ja so, als hätte ich Geld geklaut, was soll der Mist?! Während du auf dem Boot Trübsal geblasen hast, hab ich mich mit Sponsoren getroffen. Fowlers. James & James. WA-Airlines. Sie alle haben gespendet, David, wir haben richtig Kohle.«
David musste sich setzen. Wie hatte es dazu kommen können, dass eine Zeitung im fernen Washington genauer darüber Bescheid wusste, was in seiner Organisation vor sich ging, als er selbst? Wie hatte es geschehen können, dass ihn wieder ein Freund und Partner so schäbig hinterging?
»Was wäre passiert, David, wenn ich’s dir gesagt hätte? Was ? Du hättest dir die Hände gerieben und dir mal eben für ein paar Millionen einen neuen, noch größeren schwimmenden Rammbock besorgt. Oder auch zwei. Aber die Zeiten sind vorbei. Wir geben unser Know-how weiter und konzentrieren uns auf die Patenschaften. Von Kalifornien aus. Wo du nicht mehr inVersuchung kommst, die öffentliche Meinung gegen uns aufzubringen!«
»Du dummer, kleiner Bedenkenträger, du kapierst gar nichts, nichts hast du kapiert! Unser Kampf wird nicht am Schreibtisch gewonnen. Wir markieren Wale, wir erforschen und, ja, wir schützen sie, wenn’s sein muss, auch. Wenn wir hier draußen nichts unternehmen, wenn wir dem Treiben keinen Einhalt gebieten, wenn wir ...«
Doch Steves abfälliger Blick verriet ihm, dass das Drehbuch darüber, welchen Weg die SeaSpirit-Foundation von nun an beschreiten würde, bereits geschrieben war. Von Steve. In diesem Moment fühlte David sich alt und verbraucht, wie jemand, dem die vielen Jahre, die er mittlerweile auf dem Buckel hatte, den Blick für die Realität verschlossen hatten. Wie jemand, der begriff, dass sich etwas gegen ihn zusammengebraut hatte und er nichts dagegen unternehmen konnte. Wie jemand, der sich kopflos auf eine junge Frau einließ und ...
»Das Schiff wird in Dutch Harbour von FishGoods erwartet«, hörte er Steve sagen.
Das gab ihm den Rest. David verstand jetzt gar nichts mehr.
»Du weißt davon?!«
»Kazukis Jungs haben heute Morgen ihre Zelte dort aufgeschlagen und schmücken bereits die Hafeneinfahrt. Nachdem ich herausgefunden hatte, wer Leah mit dem Hubschrauber hergebracht hat, genügten ein paar Anrufe. Warum regst du dich so auf? Sie ist von der Presse, sie kann uns noch verdammt nützlich sein!«
»Bist du jetzt völlig übergeschnappt? Willst du, dass die uns die ›SeaSpirit‹ wegnehmen?«
»David! Hör mir endlich zu! Wir verlieren an Sympathie da draußen. Fowlers hat versprochen, uns noch stärker zu unterstützen, wenn wir die Rambo-Masche einstellen. FishGoodsbekommt den alten Kahn hier, und Fowlers spendet das Geld zurück – so viel könnten wir nicht mal durch einen Verkauf erzielen! Und ich bin sicher, dass nach der Konferenz morgen noch ein paar Dollar in unsere Kassen fließen. Dann starten wir durch. Und zwar so, dass in drei Jahren keine Unze Walfleisch mehr auf dem Markt zu finden sein wird. Denk an die Patenschaften, Leahs Idee ist doch der Renner, das wird unser Aufhänger, wozu brauchen wir noch ein Schiff?«
David schluckte. Was Steve sagte, klang nicht wie ein Vorschlag. »Nein.«
»Wie nein?«
»Das lass ich nicht zu. Wir tanken woanders, in Kavenga gibt’s eine Station der Coast Guard, die werden uns mit ausreichend Diesel bis zum Festland versorgen, und dann werden wir die ›SeaSpirit‹ richtig ausrüsten und die Patenschaften von hier aus verteilen. Und all denen in die Quere kommen, die auf Wale schießen. So wie jetzt!«
»Mit welchem Geld, David?«
»Auf dem Konto liegt ein Vermögen, mit dem Geld!«
»Oh, das wird kaum gehen.« Offensichtlich genoss es Steve, die Oberhand zu haben, lange genug hatte er sich von David unterbuttern lassen. »Auf das Konto hat ausschließlich der Geschäftsführer des Vereins Zugriff.«
»Mit anderen Worten: du«,
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