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Lied der Wale

Lied der Wale

Titel: Lied der Wale Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: D Thomas
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Vorwürfen überhäuft und wütend beschimpft hätte. Feige Hoffnung, sich möglicherweise weniger als armes Opfer fühlen zu müssen, sich vor den eigenen Schuldgefühlen drücken zu können. Stimmt schon, Geoffrey. Ich habe wahrscheinlich damit gerechnet, du würdest es mir leichter machen. Mir den Weg ebnen, ohne schlechtes Gewissen, David lieben zu dürfen. Geoffrey, ich liebe dich. Aber ihn liebe ich mehr. Was ich uns antue, ist unverzeihlich. Verzeih mir.
    E s war fast Mittag, sie hatte über zehn Stunden geschlafen, und das ohne die Tabletten, die ihr Dr. Fletcher vorsichtshalber am Vorabend in die Hand gedrückt hatte. Leah zog eine Grimasse, als sie im Spiegel ihr verquollenes Gesicht betrachtete, und machte sich daran, die tiefen Furchen, die das Kissen hinterlassen hatte, mit kaltem Wasser wegzumassieren.
    Als sie aus dem Aufzug trat, sah sie Masao und Joe vor Davids Zimmer warten. Ihr wurde mulmig zumute, denn der Abschied von den beiden war reichlich frostig verlaufen, doch da sprang Joe schon auf und nahm sie in seine starken Arme.
    »Ein Wunder, Leah, ein Wunder, dass er noch lebt.«
    Masao blieb reserviert und versuchte, ihrem Blick auszuweichen.
    »Ihr habt ihm hoffentlich nichts von der ›SeaSpirit‹ erzählt. Er muss jede Aufregung vermeiden.«
    »Tja«, Joe kratzte sich am Kopf, »dummerweise hatten wir angenommen, dass er’s schon weiß. Aber keine Sorge, sobald er gehört hatte, dass die ›Hikari‹ keine Wale mehr jagen konnte, hat er sich wie ein Kind gefreut.«
    Leah erkundigte sich nach den anderen und erfuhr, dass sie Govind, Sam und Marek um ein paar Minuten verpasst hatte. Die drei waren jetzt auf dem Weg nach Portland, wo sie bei Mareks Familie Unterschlupf suchen würden.
    »Und was habt ihr vor?«
    »Wir beide werden uns Steve vorknöpfen, darauf kannst du wetten«, versicherte Joe. Dann gab er Masao, der immer noch auf seine Schuhspitzen starrte, einen Stups.
    »Leah, der junge Mann hier möchte dir was sagen, nicht wahr, van Gogh? Zumindest ›Hallo‹ oder ›Wie geht’s dir, Leah‹ oder sogar, warum er dir zum Abschied nicht mal die Hand gegeben hat, ist doch so, van Gogh ... he, ich rede mit dir!«
    Masao gab ihr, ohne sie anzuschauen, die Hand, und Joe sahihm kopfschüttelnd hinterher, als er sofort danach das Weite suchte.
    »Was hat er?«, wollte Leah wissen.
    »Das muss er dir selbst sagen«, seufzte Joe.
    Die gleiche Antwort erhielt sie auch von David. Egal, wie oft sie ihn danach fragte, sie bekam immer wieder dasselbe zu hören. Sonst war David zahm wie ein Lamm, sagte zu allem Ja und Amen. Während der restlichen zwei Tage, die sie noch bei ihm blieb, schmiedeten sie wieder Pläne und machten es fest und verbindlich, dass David, sobald er das Krankenhaus verlassen dürfte, nach Washington kommen und zuerst bei ihr einziehen würde.
    Das könnte in drei Wochen der Fall sein, versicherte ihr Dr. Fletcher mehrmals, der mit den Fortschritten seines Patienten sehr zufrieden war. In drei Wochen würde sich Mickey schon im Camp befinden ... Perfekt. Sie würde sogar seinem Wunsch nachgeben und ihm erlauben, mit der Familie dieses Chaoten Bobby, den sich ihr Sohn seit neuestem als besten Freund auserkoren hatte, ins Sommerhaus nach Lake George zu fahren. Das würde ihn zwar überraschen, aber so hätte sie insgesamt zwei Monate. Sechzig Tage und Nächte, um David zu überzeugen, ab jetzt für immer sein Leben mit ihr zu teilen. Genügend Zeit, um Michael darauf vorzubereiten, wenn alles so lief, wie sie es sich vorgestellt hatte. Auf keinen Fall wollte sie ihn durcheinanderbringen.
    Nachdem Leah Dr. Fletcher und sämtliche Schwestern auf der Station mit Obstkörben beschenkt hatte, damit sie auch ja gut auf David aufpassen würden, grübelte sie auf dem Weg zum Flughafen darüber, wie sie es ihrem Sohn schonend beibringen konnte. Am besten wäre, ihn von Lake George abzuholen. Alleine. Das hieß: nicht ganz. In dem neuen Cherokee, von dem Michael schwärmte, am besten noch mit einem Beagle-Welpen,den er sich immer gewünscht hatte. Mickey würde sich schieflachen, wie sein Hündchen ihren Wagen vollpinkelte, und gnädig hinnehmen, dass die liebe Mami, die ihm stets versucht hatte, Papa Geoffrey schmackhaft zu machen, ihm jetzt plötzlich einen anderen Mann vor die Nase setzte. Das war Plan A.
    Plan B kam nicht in Frage, denn niemals, niemals würde sie Michael erlauben, wieder auf ein Mountainbike zu steigen.
    Plan C könnte klappen: Ihr Schlafzimmer war wirklich zu groß,

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