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Lied der Wale

Lied der Wale

Titel: Lied der Wale Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: D Thomas
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ignorieren; erst als der anfing, in der Nase zu popeln und nach jedem Schluck Coke einen Rülpser von sich zu geben, verging ihm der Appetit. Er schnappte seinen und Michaels Teller und kippte das Essen in den Müll, wobei ihm das boshafte Grinsen in MichaelsGesicht nicht entging. Okay, dachte sich Geoffrey, aber abräumen werd ich in keinem Fall alleine.
    »Würdest du mir bitte helfen, den Tisch ...«
    »Nein.«
    »Oh doch, mein Lieber. Und zwar pronto.«
    Michael dachte nicht mal daran, marschierte stattdessen schnurstracks zum Fernseher, schaltete ihn ein und lümmelte sich auf die Couch. Dabei griff er immer wieder in die Tüte, stopfte ganze Hände voll Chips in seinen Mund, wobei ein nicht unbeträchtlicher Anteil davon auf dem Sofa landete.
    »Pass auf, Michael, ich sag’s nur noch einmal, und ich sag es ganz deutlich: Heb deinen Hintern von der Couch, komm hierher und räum den Tisch mit mir ab.«
    »Du hast mir nichts zu sagen. Außerdem muss ich das nie tun.«
    Fehler. Das Argument zog nicht, denn Leah konnte den kleinen Teufel nicht oft genug loben, weil er so selbstständig sei, tatsächlich habe er schon manchmal die ganze Küche geputzt, Abwasch inklusive – sie sei abends nach Hause gekommen, und alles sei picobello gewesen.
    Michael schaltete auf einen Kanal um, der so etwas Ähnliches wie Musik verbreitete. Zumindest waren die Aliens in ihren glitzernden Kostümen mit verstimmten Gitarren bewaffnet.
    »Wenn ich deiner Mutter Glauben schenken darf, musst du das sehr wohl tun.«
    »Du hast mir überhaupt nichts zu sagen, du bist nicht mein Papa, du bist gar nix.«
    Geoffrey zählte langsam von zehn rückwärts. Bei minus zwanzig hatte er sich wieder so weit in der Gewalt, dass er nicht Gefahr lief, den Bengel auf der Stelle in der Tiefkühltruhe zu versenken.
    »Nein, ich bin nicht dein Papa, aber wir beide müssen nolens volens ein paar Tage miteinander auskommen, und ich werde nicht deinen Diener spielen.«
    Die Antwort konnte er nicht hören – er sah nur, wie sich Michaels Lippen bewegten, denn der hatte die Lautstärke auf einen Pegel hochgezogen, der den Bewohnern im gesamten Viertel Freudentränen in die Augen treiben musste. Geoffreys Nervenstränge fühlten sich wie überalterte Wäscheleinen an, die man zum Bungee-Jumping verwendete. Nicht mit mir, Beelzebübchen, beschloss Geoffrey und zog den Stecker aus der Dose. Für einen kurzen Moment triumphierende Stille.
    Michael sprang vom Sofa, wobei er die Hälfte seiner restlichen Chips weiträumig verteilte, schoss an Geoffrey vorbei und versuchte wütend, den Stecker wieder an seinen Platz zurückzubefördern. Doch Geoffrey war nicht gewillt, klein beizugeben. Nicht an diesem Punkt. Abgesehen von seinem Neffen, einem fast unnatürlich braven Jungen, der dackelgleich aufs Wort gehorchte, hatte Geoffrey keine Erfahrung mit Kindern. Doch er wusste instinktiv, wenn er jetzt nachgab, dann würde ihn der kleine Stinkstiefel plattmachen. Also schnappte er den zappelnden Michael und trug ihn zum Esstisch.
    »Lass mich los, du bist nicht ...«
    »Ja, ich weiß, langsam wird’s langweilig. Wir räumen jetzt gemeinsam ab. Du die eine Hälfte, ich die andere ...«
    Weiter kam er nicht, denn Michaels Fuß traf Geoffrey mit diabolischer Präzision exakt an der Stelle seines Schienbeins, mit der er mindestens zweimal pro Woche gegen eine offene Schublade seines Schreibtisches donnerte. Geoffreys Augen weiteten sich zu Tischtennisballgröße. Er schrie auf vor Schmerz, und seine rechte Hand fuhr instinktiv in die Höhe. Glücklicherweise gelang es ihm, sie wenige Zentimeter vor Michaels Wange zu stoppen.
    »Ich werd dir nicht den Gefallen tun und die Beherrschung verlieren«, zischte er wie die Schlange im Dschungelbuch. »Ich will dir nur sagen, dass ich dein Verhalten zum Kotzen finde.Ich räume jetzt meine Hälfte weg. Wenn du deine stehen lässt – bitte. Das kannst du dann am Dienstag deiner Oma erklären. Und Fernsehen kannst du vergessen, bevor nicht die gesamten Chips verschwunden sind.«
    Michaels Grinsen wurde unsicherer.
    »Ich geh jetzt duschen«, sagte Geoffrey.
    Er hatte am Morgen schon geduscht, aber er wollte dem Knirps nicht die Genugtuung geben, die Schmerzenstränen zu sehen, die langsam seine Augen wässerten. Also machte er kehrt, verschwand in Richtung Bad und bemühte sich, unterwegs nicht zu hinken.
    Der warme Wasserstrahl beruhigte Geoffrey, und er überlegte, wie er in diesem Kampf der Titanen weiter vorzugehen hatte. Gott sei

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