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Lied der Wale

Lied der Wale

Titel: Lied der Wale Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: D Thomas
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Unten kräuselten sich die Wellen, oben zogen vereinzelte Kumuluswolken, die wie Gebirge hinauf in die Atmosphäre ragten, ihre Spur über den Himmel.
    Joe gesellte sich zu ihr. »Netter Vogel, der dich zum Schiff gebracht hat«, meinte er unvermittelt.
    »Hauptsache, ich muss so was nie wieder tun.«
    Joe grinste. »Keine Sorge, der Jayhawk ist einer der zuverlässigsten Helikopter, die je gebaut wurden.«
    »Klingt so, als hättest du selbst mal einen geflogen.« Als Joe nicht gleich antwortete, setzte Leah nach: »He, sag bloß, du hast bei der Küstenwache gearbeitet?«
    Joes Antwort war ein bellendes Lachen, das in einen Hustenanfall überging. Er wischte sich eine Träne aus dem Augenwinkel. »Küstenwache – so kann man das auch nennen!«
    Leah machte aus ihrer Irritation keinen Hehl. »Wo dann?«
    »In Vietnam hat man den Begriff Küstenwache etwas anders interpretiert, aber irgendwie trifft’s das auch.«
    »Du warst in Vietnam?«
    »Marine-Infanteriegeschwader.«
    »Und wie kommst du dann zu Hubschraubern?«
    Während er aufs Meer hinausstarrte, erklärte er, der Huey sei in Vietnam ihr Taxi gewesen – und manchmal auch ihr Engel. Als er weiterredete, wurde Joes Blick fast melancholisch.
    »Der Huey hat uns überall hingebracht und auch überall rausgeholt, er brachte den Nachschub, und er nahm die ... na ja, alles, was wir nach Vietnam gebracht haben, und alles, was von dort zurückging, lag mindestens zweimal in einem Huey.« Joe hielt kurz inne. »Du kennst dich mit Musik aus?«
    »Einigermaßen.«
    »›The End‹ von den Doors – das ist sein Lied –, so hört er sich an. Nichts klang mehr nach Heimat als das Geräusch eines Hueys.«
    Leah kannte das Stück. Es begann mit dem tiefen Rattern von Helikoptern. Sie überlegte kurz – ja, war auch die Titelmusik zu einem Vietnamfilm, den sie mal gesehen hatte. Sie erinnerte sich nicht mehr, wie er hieß. Timothy hatte sie damals in den Streifen geschleppt, ihr lagen diese Kriegsfilme, diese endlosen Gemetzel nicht. Dann hatten sie auch noch Samuel Barbers ›Adagio for Strings‹ in dem Film verbraten, und Leah konnte es ohnehin nicht leiden, wenn man versuchte, Stimmung durch Sülzmusik zu erzeugen, weil die Bilder allein dazu nicht in der Lage waren. Timothy hatte sich danach zu allem Übel den Soundtrack besorgt, und so musste sie sowohl Barber als auch die Hubschrauberstaffel des Öfteren über sich ergehen lassen.
    »Und das mit dem Fliegen?«
    Hatte er auf dem Stützpunkt gelernt. Joe machte erneut eine Pause, und Leah war sich nicht sicher, ob er weitersprechen würde. Doch er fuhr fort: »Als ich wieder zu Hause war, also ich meine, als ich wieder in den Staaten war, da hab ich offiziell den Pilotenschein gemacht – erst für den Huey und später für den Black Hawk – das ist der Jayhawk mit Tarnfarbe. Deshalb kenn ich die Vögel. Und wenn dein Pilot nicht stoned oder betrunken war, war jede Angst unnötig. Die Dinger sind absolut zuverlässig und gutmütig in ihrem Flugverhalten.«
    »Wie lange warst du bei der Army?«
    »Bis ’85.«
    Wegen der Erinnerung an diesen bescheuerten Film rutschte Leah die Frage raus, bevor sie sie zurückhalten konnte: »Wie war es in Vietnam?«
    Dämlicher ging es ja wohl kaum – ein echter Journalistenlapsus. Sie empfand Joes Reaktion noch als gnädig. Er warf ihr nur einen kurzen Blick zu, dann stieß er sich von der Reling ab.
    »Zeit für die Brücke.«
    O kay, Geoffrey war kein Meisterkoch – trotzdem hatte er gehofft, Spaghetti in Tomatensauce würden dem Herrn munden. Eigentlich hätte er sich von vornherein darüber im Klaren sein müssen, dass Michael nichts schmecken würde, was er auf den Tisch zauberte. Der Lümmel war einfach aufgestanden und hatte sich eine Chipstüte geschnappt, deren Inhalt er laut schmatzend verspeiste.
    Fazit des Tages: Das Frühstück gab’s zu früh, im Zoo war es zu heiß, die Tiere stanken, die Burger schmeckten lange nicht so gut wie in seinem Lieblingsetablissement (von dem es natürlich keine Niederlassung in Zoo-Nähe gab), Geoffreys Wagen war eine lahme Kiste, das Video, das er ausgeliehen hatte, na ja, gähn hoch zwei, und was die Spaghetti Pomodoro anging, aus frischen Tomaten wohlgemerkt, erübrigte sich jeglicher Kommentar.
    Keine Ahnung, wie Leah das aushielt. Geoffrey kratzte den letzten Rest Selbstbeherrschung zusammen und zwang sich, die wirklich hervorragende, nein, Weltklasse-Pasta in aller Ruhe zu genießen. Es gelang ihm sogar, Michaels Schmatzen zu

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