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Lied der Wale

Lied der Wale

Titel: Lied der Wale Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: D Thomas
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seinem Sarkasmus üblicherweise war. Es hatte siezwar beruhigt zu hören, dass die beiden sich immerhin noch ganz gut hielten. Doch sie kannte Geoffrey inzwischen in- und auswendig: Wenn sie sich wirklich verstehen würden, wäre Geoffreys akustische Selbstbeweihräucherung ob seiner Heldentaten als Papaersatz kaum kürzer ausgefallen als eine komplette Lesung der Thora. Den Triumph hätte er sich nicht nehmen lassen. So konnte sie zumindest hoffen, dass die Wohnung noch intakt war und Geoffrey sich nicht hatte hinreißen lassen, ihren Sohn zur Adoption freizugeben. Sie wusste, dass Mickey zu einem kleinen Monster mutieren konnte, wenn ihm etwas nicht passte – eine Starrköpfigkeit, die er nicht von seinem Vater geerbt hatte. Nun, damit musste Geoffrey jetzt klarkommen.
    Leah genoss die Ruhe auf der Bank. Immerhin war das flaue Gefühl in ihrem Magen fast vollständig verschwunden, dank einem Fläschchen mit geheimnisvollen ayurvedischen Tropfen, das Govind ihr in die Hand gedrückt hatte. Was auch immer es war, es hatte geholfen. So sehr, dass sie das sanfte Schaukeln inzwischen schon als beruhigend empfand. Gleich schläfst du ein, dachte sie, dabei bist du nicht für einen Erholungsurlaub an Bord gekommen.
    Als sie sich bei Sams Führung flüchtig umgeschaut hatte, waren ihr im Computerraum mehrere Schränke mit Akten aufgefallen. Vielleicht würde einer dieser Ordner Hinweise auf die tatsächlichen Finanzgeschäfte der SeaSpirit-Bewegung geben. Zuerst musste sie sich jedenfalls einen Überblick verschaffen. Vielleicht konnte sie sich genauer umsehen, wenn Govind sich ganz den Bits und Bytes hingab.
    Auf dem Weg zur Hightech-Kammer legte sie sich ein paar Fragen nach Rechnerkapazitäten und weiterem technischen Blabla zurecht, die sie Govind stellen wollte – Dinge, die sie in Wirklichkeit so wenig interessierten wie das Paarungsverhalten von Orang-Utans.
    Aber die Fragen würden den Computerfreak zum Erzählen animieren und ihr vielleicht etwas Zeit verschaffen, um ihre Nase zwischen die Aktendeckel zu stecken. Dummerweise war es nicht Govinds Stimme, die sie von der anderen Seite der Tür zum Eintreten aufforderte, sondern die von Steve, dessen Zeigefinger etwas schwerfällig nach den richtigen Tasten suchte.
    Nun galt es zu improvisieren. Steve war gewiss nicht die Adresse für technischen Schnickschnack. Aber unverrichteter Dinge abziehen wollte sie auch nicht. Neben der Tastatur lagen drei aufgeschlagene Ordner. Steve beschäftigte sich offensichtlich mit der administrativen Seite der SeaSpirit-Foundation. Er hatte den Webbrowser auf dem Monitor geöffnet. Das brachte Leah auf eine Idee.
    »Wollte nur fragen, ob ich mal von einem der Rechner aus nach meinen Mails schauen kann.«
    »Kein Problem. Ich mach das gerade noch zu Ende. Ich liebe Buchhaltung«, sagte er, und seine Grimasse unterstrich den Mangel an Begeisterung.
    »Geht mir genauso.«
    Auf Leahs Frage, weshalb sie die Buchhaltung nicht im Büro am Festland erledigten, erwiderte Steve, sie könnten schlecht mal eben ins Büro jetten, also müsse das Büro mit an Bord. Das Office in L. A. war genau genommen nur ein Briefkasten; eine Studentin leerte ihn wöchentlich und mailte das Wichtigste an die »SeaSpirit«.
    »Ich logge mich gerade noch aus. So, das war’s.«
    Leah ließ sich vor dem Bildschirm nieder, während Steve hinter ihrem Rücken mit den Ordnern hantierte. Er wirkte zwar vertieft in seine Arbeit, wuselte dabei aber ständig hin und her, sodass Leah sich unter Beobachtung fühlte.
    Sie rief den Webbrowser auf und gab die Seite ihres E-Mail-Providers ein. Eigentlich erwartete sie, keine Nachrichten vorzufinden,alles Wichtige lief über die Adresse der Redaktion. Sich jedoch dort einzuloggen, wäre unter den gegebenen Umständen nicht gerade opportun, falls ihr doch einmal jemand über die Schulter blickte.
    Zwei Mails befanden sich in ihrer Box. Eine versprach ihr die Vergrößerung ihres Penis um mindestens zwei Inches – längst hatte sie es aufgegeben, sich über derartige Idiotien noch aufzuregen, und löschte die Mail einfach. Die zweite kam von Susan.
    »Na, du Luder, wie ist das so unter sexuell ausgehungerten Matrosen? Ich bin neidisch!!!«
    Da Steve weiter herumfuhrwerkte, schrieb sie ein paar freche Zeilen, die Susans Fantasie beflügeln würden, und überlegte eifrig, wie sie Steve am besten loswerden könnte.
    »Fertig?«, hörte Leah ihn fragen. »Ich muss jetzt zur Brücke.«
    »Hätte noch ein paar Mails zu beantworten,

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