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Lied der Wale

Lied der Wale

Titel: Lied der Wale Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: D Thomas
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geht das in Ordnung?«
    In Steves Augen las sie einen leisen Zweifel, ob er sie wirklich allein lassen sollte.
    »Keine Sorge, ›National Geographic‹ ist nicht an eurer Buchhaltung interessiert«, sagte sie, ohne rot zu werden.
    Das klang für Steve einleuchtend. Mit einem schuldbewussten Lächeln verließ er die Kabine.
    Leah erfasste mit einem schnellen Blick den Raum. Der Schrank, in dem Steve die Ordner hatte verschwinden lassen, stand rechter Hand. Zwei Schiebetüren verbargen den gesamten Papierkram. Auf dem Rechner mochten auch Hinweise für den Umgang mit Spendengeldern zu finden sein, doch um die Festplatte abzugrasen, benötigte sie deutlich mehr Zeit, und jeden Moment konnte ein Crewmitglied auftauchen.
    Sie entschied sich für den Schrank, zog die Schiebetüren auf und betrachtete die Galerie der Rückenschilder. Etwa zehn Ordner teilten sich den Platz auf dem Regal Korrespondenz. Korrespondenzalt 1 , Korrespondenz alt 2, Förderer . Steve schien ein gewissenhafter Buchhalter zu sein. Webpage – die wurde also auch von hier aus verwaltet.
    Kontoauszüge. Bingo! Leah zog den Ordner heraus und öffnete ihn. Darin fanden sich Ausdrucke der Kontobewegungen, fein säuberlich nach Monaten sortiert. Kontonummer 181 818 181 bei der Master-Bank of Santa Ana. Die Kontonummer war ihr nicht unbekannt, sie war auch auf der Webpage angegeben. Leah überflog die Salden. Hier kamen mal 100 Dollar rein, dort 20, dann mal wieder 200. Alles in allem keine Beträge, die dazu animierten, sich Gedanken über mehr als den Zukauf einiger Vorräte für die Kombüse zu machen.
    Sie blätterte weiter. Auch die Ausgaben hielten sich in Grenzen. Die traten zwar immer gehäuft auf, aber das lag sicher daran, dass Ausgaben nur in Häfen getätigt werden konnten.
    In wenigen Minuten hatte sie die Kontobewegungen des letzten Jahres überflogen. Keine größere Summe war eingegangen. Vor einem Jahr lagen 15 245,85 Dollar auf dem Konto. Der Kontostand des jüngsten Ausdrucks, der aus der letzten Woche stammte, belief sich auf 123,56 Dollar. Im Minus. Das Sparschwein war auf Diät. Nicht gerade eine günstige Ausgangslage für Spendenhinterziehung.
    Leah stellte den Ordner zurück. Sein Nachbar trug den Namen Quittungen, laufendes Jahr . Sie zog ihn heraus und ließ die Finger durch die Seiten gleiten – immer auf eventuelle Geräusche vom Gang konzentriert. In vorbildlicher Weise waren alle Quittungen auf Blätter geklebt und mit Nummer und Datum versehen. Steve hätte gute Chancen auf den Titel Buchhalter des Jahres gehabt. Leah suchte nach Ausgaben über 1000 Dollar – und fand genau sieben. Drei Quittungen waren über Lebensmittel ausgestellt, die anderen dokumentierten Dieseleinkäufe. Auch nicht gerade der Stoff, aus dem Wirtschaftskrimis gestrickt waren.
    Wenn der Verdacht gegen McGregor gerechtfertigt war, dann versteckte er das Geld zumindest auf sehr geschickte Weise. Schnell bugsierte sie den Ordner wieder in den Schrank und zog die Türen leise zu.
    Mal sehen, ob der Rechner noch etwas hergab. Leah konnte zumindest einen kurzen Blick riskieren. Sie ließ den Mauszeiger an den unteren Bildschirmrand wandern, und wenige Klicks später sah sie die Liste der Programme, die auf dem PC installiert waren.
    Sie öffnete das Mail-Programm, das augenblicklich den Bildschirm füllte. Die Oberfläche wirkte auf den ersten Blick fremd, da Leah in der Redaktion mit einem weitverbreiteten anderen System arbeitete. Es dauerte einen Moment, bevor sie sich damit vertraut gemacht hatte, dann klickte sie auf den entsprechenden Button, der die eingegangenen Mails sichtbar machen sollte. Was auch immer der Computer meinte, nun berechnen zu müssen, er konnte sich damit ruhig ein bisschen beeilen. Aber Leahs Befürchtung schien sich zu bewahrheiten: Erschien die Sanduhr, konnte man getrost einen Kaffee kochen und die dazugehörige Torte backen.
    Dann vernahm sie Stimmen. Leah unterdrückte einen Fluch. Wenn sie momentan etwas überhaupt nicht gebrauchen konnte, dann Bill Gates’ Rache an der Menschheit in Form einer virtuellen Sanduhr, die es ihr verwehrte, das Programmfenster wieder vom Monitor zu zaubern. Sie klickte auf den Button zum Schließen des Programms, doch die Sanduhr schien sich durch derartige Aktionen nicht aus der Ruhe bringen zu lassen. Die Stimmen wurden lauter, und Leah hörte bereits das Klacken der Türklinke. Wie Bälle in einem furiosen Pingpongspiel schossen Leahs Gedanken in ihrem Kopf kreuz und quer. Es blieb nur eine

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