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Lied der Wale

Lied der Wale

Titel: Lied der Wale Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: D Thomas
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waren? So was konnte man nicht intellektuell vermitteln, ohne Beweise. Zu einer wissenschaftlichen Arbeit gehörten eine Hypothese, die Methode, das Vorgehen, mit demman die Hypothese über das Objekt der Untersuchung austestete, die Ergebnisse und die Diskussion der Ergebnisse, sodass jeder sie auch verstand. Aber die geeignete Methode, mit der er beweisen konnte, was einem, mit etwas Glück und der nötigen Offenheit, in der Nähe eines Wales widerfahren konnte, hatte er noch nicht gefunden. Das menschliche Gehirn akzeptiert nun mal in der Regel nur das, was es kennt, alles andere versucht es so schnell wie möglich zu rationalisieren und dem Begreifbaren anzupassen. Würde Ms Cullin seine Hypothese akzeptieren, dass unser so hochgepriesener Neocortex vielleicht doch nicht so einzigartig ist?
    Wir wissen, dass es ultraviolettes Licht gibt, immer gab, können wir es deshalb sehen? Nein. Können wir so gut riechen wie Hunde, so gut hören wie Pferde? Auch nicht. Sogar auf der banalen Ebene des Sensoriums sind wir den Tieren unterlegen. Wer weiß, was noch direkt vor unseren bloßen Augen liegt, was wir aber schlichtweg nicht wahrnehmen? Wie können wir dann Mittel und Wege finden, etwas zu beweisen, was sich nur durch ein Gefühl erleben lässt, was man in Worten nicht auszudrücken vermag? Wie lange haben wir gebraucht, um zu begreifen, dass Materie, eine massive Wand sogar, auf der subatomaren Ebene nur aus winzigen Energiebündelchen besteht, deren Entfernung voneinander – darüber hatte er eine Menge Bücher gelesen – in Relation zu ihrem Umfang größer ist als die von der Erde zum Mond? Würde sie akzeptieren, dass sogar diese Wand, an der wir uns gerne den Dickschädel wund schlagen, nach den Erkenntnissen der Quantenphysik nur aus zusammengepresster Dynamik besteht, nichts Festes ist, im wahrsten Sinn des Wortes? Würde sie seine wirren Gedanken nachvollziehen können, dass nichts so ist, wie es ad hoc erscheint? Dass Ketan, dieses wunderbare Wesen, mit ihm auf eine Weise kommuniziert hatte, die selbst die ausgesuchtesten Worte nicht annähernd auszudrückenvermochten, ja sogar verfälschten? Man musste es erleben – aber welche Wissenschaft ließ sich schon auf subjektive Gefühle ein? Nein, es gab keine Methode. Und auch keine Beweise. Irgendwann vielleicht würde es Geräte geben, die es ermöglichten, das, was zwischen Walen und Menschen geschehen konnte, messbar darzustellen, aber bis dahin würden diese Wesen weiter ausgerottet ... Und nein, sie würde es nicht verstehen, niemals, nicht mal versuchen wollen; die anderen hatten es auch nicht getan, als er sich noch die Mühe machte, Gott und die Welt davon überzeugen zu wollen ... Warum kam sie ihm so vertraut vor?
    Bugge war inzwischen bei Stück Nummer vier angelangt. »You might say, you don’t need me no more, you might say, we got no place to go...« Und David befand sich irgendwo in einem Raum zwischen Vergangenheit und jetzt.
    A m nächsten Morgen weckte ihn der Duft. Für einen Moment war Geoffrey etwas konfus, in Leahs Bett aufzuwachen, immerhin eine Premiere, dann sah er das Tablett auf dem Nachttisch. Den dampfenden Becher Kaffee, zwei mit Erdnussbutter und Erdbeermarmelade geschmierte Toasts. Es machte ihn noch konfuser. Sollte Leah etwa schon zurück sein? Nein, unmöglich. Michael ?
    Der Kleine aß seine Cornflakes und schaute sich den Kinderkanal an, als Geoffrey mit dem Tablett ins Wohnzimmer kam.
    »Weiß gar nicht, was ich sagen soll ... danke«, gab Geoffrey gerührt von sich und nahm neben ihm auf der Couch Platz. Michael machte sofort den Fernseher aus.
    »Mein Vater hat auch meine Mama geliebt und hat sie betrogen.«
    »Davon ... davon weiß ich nichts«, log Geoffrey und trankschnell einen Schluck Kaffee, damit er nicht weiterreden musste.
    »Doch, du weißt es, ich hab euch gehört, als ihr darüber am Telefon gesprochen habt, sie hat dich gefragt, ob du es auch machen wirst. Was, wenn du eine andere Frau triffst, die dir mehr gefällt?«
    »Unmöglich, ausgeschlossen. Aber woher hast du das mit deinem Vater, soviel ich weiß, hat Leah nie mit dir ...«
    »Mama denkt, ich würde ihn dann hassen«, unterbrach ihn Michael, »deswegen will sie mit mir darüber nicht reden, aber ich kenn die Wahrheit. Hab gehört, wie Tommys Mutter mit der von Ben darüber gesprochen hat. Versprichst du mir, dass du ihr nichts davon sagst?«
    Geoffrey streckte ihm die Hand hin. Michael drückte sie fest und schaute ihm ernst in die Augen. Das

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