Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Lied der Wale

Lied der Wale

Titel: Lied der Wale Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: D Thomas
Vom Netzwerk:
erste Mal, dass der Kleine ihn wie einen Gleichwertigen behandelte. Geoffrey war stolzer darauf als auf alle seine Diplome und Golftrophäen.
    »Versprichst du mir auch, dass du sie nie traurig machst? Sie war sehr lange traurig!«
    Er nahm Michael in den Arm und drückte ihn ganz fest an sich. »Ich werde deine Mutter glücklich machen, und wenn du mir erlaubst, werde ich versuchen, ein guter Va... Freund für dich zu sein. Der beste.«
    »Und ich will weiter Stanford heißen, ich bin jetzt im Softball-Team, und auf dem Trikot steht Stanford«, sagte Michael, während er sich aus der Umarmung löste.
    Geoffrey schnäuzte sich und nickte, ja, natürlich.
    »Gut«, sagte Michael, »jetzt muss ich in die Schule.«
    Den kurzen Weg zu Fuß dorthin wechselten sie kein Wort miteinander; Geoffrey hatte sowieso eine Heidenangst, mit seinem unkontrollierten Mundwerk den Zauber zu brechen. Er blieb, wie Leah ihm befohlen hatte, kurz vor dem Schulhof stehen; sietat es auch, um Michael nicht vor seinen Freunden zu blamieren. Aber leider hatten die ihn entdeckt und fingen sofort an, ihn zu hänseln. Michael rannte mit rotem Kopf hinein.
    »Wer ist der Grufti?«, fragte ihn ein Widerling.
    »Niemand«, antwortete Michael. »Nur mein Dad.«
    Geoffrey schossen die Tränen in die Augen.
    Gott im Himmel, dachte er sich, ich bin eingefleischter Atheist, aber danke, dass es dich gibt!
    Zwanzig Minuten später telefonierte er aus Leahs Wohnung mit ihrer Mutter und flehte sie an, sie möge bitte, bitte , ihren Aufenthalt in Marthas Vineyard verlängern.
    E s war ungefähr acht Uhr morgens, als Leah aus dem Halbschlaf gerissen wurde. Gott sei Dank lag sie in der hintersten Ecke unter einem Tisch, als McGregor in den Raum stürzte. Mit dem Rücken zu ihr pflanzte er sich vors Funkgerät und versuchte eine Verbindung zu Wem-auch-immer herzustellen. Die Tür hatte er offen stehen lassen. Leah entschloss sich, die Chance zu nutzen. Leicht gesagt, ihre Muskulatur war eingeschlafen.
    Gott sei Dank war Mr Schiffeversenker voll und ganz mit dem Kontakt zur Außenwelt beschäftigt. Sorgsam darauf bedacht, die Schmerzen in ihren Beinen zu ignorieren, schob sie sich langsam über den Fußboden. Gerade ermahnte sie sich, bloß kein Geräusch zu machen, als McGregor zu schimpfen begann; offenbar wollte seine Verbindung nicht zustande kommen. Nicht gut, jeden Moment konnte er sich umdrehen und sie entdecken. Sie musste sich beeilen. Wenigstens konnte sie Oberschenkel und Waden wieder fühlen, doch ihre Füße schienen immer noch wie Klumpen an ihr zu hängen. Gerade hatte sie die Schwelle zum rettenden Flur erreicht, da donnerte McGregor plötzlich das Mikro mit einem Fluch auf den Tisch, sprang auf und ... nur wenigfehlte, und er wäre über sie gestolpert. So ein Mist, jetzt war es doch passiert. Wenigstens eine Sache schien immer zuzutreffen: ›Gebete werden nicht erhört.‹
    »Alles o. k.?«, nuschelte Leah, während sie gesenkten Hauptes weiterkroch.
    »Was treiben Sie da unten?«
    Leahs Gehirnzellen schienen sich auf der Suche nach einem passenden Vorwand komplett auszuschalten, dann hörte sie sich selbst reden: »Oh, ich arbeite an einer Teststudie über das Verhalten der Gleichgewichtsorgane bei schwerem Seegang, ist das nicht offensichtlich?« Leah blinzelte in McGregors verdutztes Gesicht. »Haben Sie vielleicht meinen Ohrring gefunden? Muss ihn gestern irgendwo hier verloren haben ... Nein? Ist ein Erbstück meiner Großmutter, aber sorry, hab Sie nicht stören wollen.«
    »Und ich hab Sie nicht reinkommen sehen!«
    »Sie haben auch nicht vernommen, wie ich Guten Morgen sagte, gehört sicher zu Ihrem Programm, damit ich mich auf diesem Schiff noch unwillkommener fühle! Schwamm drüber, wenn Sie ihn sehen, versuchen Sie bitte, nicht draufzutreten.«
    »Worauf, Ms Cullin, worauf soll ich nicht treten?«
    »Auf den Ohrring, Mr McGregor, hören Sie nie zu, wenn man mit Ihnen spricht?«, fauchte sie ihn an und verschwand in die Freiheit.
    David war ihr Gebaren zwar suspekt, doch da er dafür keine weitere Erklärung hatte, akzeptierte er die ihre.
    »Guten Morgen«, gab er sich geschlagen.
    Dreimal uff. Unfassbar. Das mit den Gebeten revidierte sie sofort. Es war schlicht ein Wunder, dass sie es geschafft hatte, diesem Albtraum mit heiler Haut zu entkommen. Warst gar nicht so schlecht, Leah Cullin, bekommst langsam Routine, Ms Sangfroid, eiskalte Spezialagentin. Von wegen. Ihre Knie schlottertenim Fünfvierteltakt, und sie schwor sich hoch und

Weitere Kostenlose Bücher