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Lied des Schicksals

Lied des Schicksals

Titel: Lied des Schicksals Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Merice Briffa
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und nicht an Etty zu denken. Er brauchte einen klaren Kopf, denn er hatte vor zu fliehen, lange bevor sie Melbourne erreichten. Seine Erfahrungen mit dem Gesetz ließen ihn das Schlimmste erwarten. Er durfte keineswegs mit einem fairen Prozess rechnen. Und wenn er an einen bornierten Richter geriet, würden seine Chancen, fair behandelt zu werden, noch mehr schwinden. Doch in Südaustralien hatte die Polizei von Victoria keinerlei Befugnisse. Zu Hause in Riverview würde er also sicher sein.
    Nur ein einziger Constable saß am nächsten Tag in der frühen Postkutsche nach Melbourne neben ihm. Es handelte sich um eine kleinere Kutsche als die, mit der er von Wellington aus gereist war. Nur fünf Personen teilten sich die sechs Sitzplätze. Darcy, der mit Handschellen an den Constable gefesselt war, saß auf der vorderen Bank. Ihm gegenüber saß ein Ehepaar mit seinem kleinen Sohn. Während der Mann nur einen kurzen Blick auf Darcy warf, bevor er sich ganz seiner Zeitung widmete, und die Frau offenkundig vermied, den Gefangenen überhaupt anzusehen, betrachtete der Junge ihn neugierig.
    Â»Sind Sie ein Buschräuber, Mister?«
    Â»Pst!«, flüsterte die Mutter.
    Â»Sei still!«, befahl der Vater und raschelte mit der Zeitung.
    Darcy grinste den Jungen augenzwinkernd an, worauf dieser notgedrungen ein Kichern unterdrücken musste. Er gehorchte zwar seinen Eltern und schwieg, lächelte Darcy aber ab und zu scheu an. Beim ersten Halt blieben alle Reisenden in der Kutsche. Die vier Pferde wurden routiniert und schnell gewechselt. Auf der nächsten Poststation würden alle aussteigen, weil sie dort frühstücken konnten. Darcy nahm sich vor, viel zu essen. Dieses Frühstück war vielleicht die letzte anständige Mahlzeit, die er in nächster Zeit bekommen würde.
    Der Constable und sein Gefangener setzten sich einander gegenüber an einen kleinen Tisch, ein Stück von der Familie entfernt, die sich ebenfalls zum Frühstück niedergelassen hatte. Darcy wurden die Handschellen abgenommen, damit er essen konnte. Seine geladene Pistole hatte der Constable griffbereit auf den Tisch gelegt, als Warnung für seinen Gefangenen, nur ja nicht fliehen zu wollen.
    Â»Da brauchen Sie sich keine Sorgen zu machen«, sagte Darcy. »Ich bin nicht gerade wild darauf, eine Kugel in den Rücken zu kriegen. Außerdem wäre es mir zuwider, wenn das Kind und seine Mutter ein solches Blutvergießen mit ansehen müssten.«
    Dann machte er sich hoch konzentriert über sein Frühstück her, als würde das Essen seine gesamte Aufmerksamkeit erfordern. Dabei versuchte er, sich möglichst detailliert zu erinnern, wie diese Poststation aufgebaut war. Das Gasthaus, die Ställe, über denen sich die Unterkünfte der Stallburschen befanden, die Wohnung des Inhabers und seiner Frau, die hinten an das Gasthaus angebaut war. Der Abtritt war ein ganzes Stück von den Gebäuden entfernt.
    Die Poststation befand sich auf einem gerodeten Grundstück, das von Buschland umgeben war. Und Darcy konnte sich genau erinnern, wie sie angelegt war. Er war bereit zu handeln.
    Â»Ich muss erst noch den Abtritt benutzen, bevor wir wieder in die Kutsche steigen.«
    Â»In Ordnung. Aber ich bin dir sofort auf den Fersen, falls du irgendwelche krummen Sachen versuchst.«
    Â»Mach ich nicht. Dafür ist mir mein Leben zu lieb.«
    Â»Was dir noch davon bleibt«, sagte der Constable hämisch.
    Darcy ignorierte die Bemerkung und ging durch die Hintertür auf den Abtritt zu, eine kleine primitive Bretterbude ohne Dach und ohne Fußboden. Wenn das Loch im Boden voll war, würde man es zuschütten und die Bude über einem frisch gegrabenen Loch aufstellen. Die Tür war geschlossen. Darcy und der Constable warteten, bis sie aufging. Der Junge kam heraus und schloss seinen Gürtel. Als Darcy in den Abtritt hineingehen wollte, befahl ihm der Constable, die Tür geöffnet zu lassen. Darcy protestierte höhnisch.
    Â»Wenn ich nur pissen wollte, würde ich mich an einen Baum stellen. Ich lass doch nicht die Tür offen, damit mich alle da drinnen sitzen und scheißen sehen können. Hier sind schließlich auch Damen.«
    Da dem Constable plötzlich bewusst wurde, dass auch die Frau aus der Kutsche auf den Hinterhof des Gasthauses kommen könnte, erklärte er Darcy schroff, er dürfe die Tür schließen. »Aber lass dir nicht

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