Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Lied des Schicksals

Lied des Schicksals

Titel: Lied des Schicksals Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Merice Briffa
Vom Netzwerk:
Du siehst ganz reizend aus, mein Schatz. Ich kann kaum glauben, dass mein kleines Mädchen jetzt eine junge Dame ist.« Er legte einen Arm um seine Frau und sah erst sie und dann seine Tochter liebevoll an. »Wir sind sehr, sehr stolz auf dich.«
    Madame sagte, dass sie gerne mit Etty nach London fahren würde. »Eine Saison in London wird Etty die Erfahrung geben, die sie braucht, bevor wir nach Mailand gehen, Meggan.«
    Â»Warum muss ich denn unbedingt nach Mailand?«, fragte Etty.
    Madame reagierte überrascht. »Das weißt du nicht?« In gespielter dramatischer Verzweiflung rang sie die Hände. »Was für ein Ignoranz! Du musst in die größte Opernhäuser der Welt singen. Deine Mutter hätte in Mailand gesungen, wenn sie nicht …« Ein Blick von Meggan brachte sie zum Schweigen. Selbst nach achtzehn Jahren gab sie Madames lockerem Mundwerk immer noch ein wenig die Schuld am Tod von David Westoby.
    Madame zuckte mit den Schultern. Sie wusste genau, was hinter diesem warnenden Blick steckte. »Wie dem auch sei, Etty. Du wirst eine große Sängerin.«
    Â»Madame«, sagte Meggan ruhig, aber entschlossen, »mein Mann und ich wollen natürlich das Beste für Etty. Doch wir möchten, dass sie in Australien bleibt, bis sie ein wenig älter ist. Es müsste doch viele Möglichkeiten für sie in Melbourne geben, wo die Oper jetzt so beliebt ist.«
    Madame schien ihre Zweifel zu haben. »Beliebt, sagen Sie. Aber ist sie denn auch gut? Sie konnten keine gute Lehrerin in diese Stadt finden. Vielleicht ist die Oper auch nicht so gut.«
    Â»Der Standard mag zwar nicht so hoch sein wie in Europa, da gebe ich Ihnen recht, doch die Aufführungen, die ich gesehen habe, waren alle von guter Qualität. Etty kann ohne unsere Erlaubnis Australien nicht verlassen, und die werden wir ihr frühestens in einem Jahr geben, wenn sie achtzehn ist, und noch lieber erst mit neunzehn. Wir möchten, dass Etty ihre Karriere in Melbourne beginnt.«
    Etty, die mit einem empörten Ausbruch von Madame rechnete und befürchtete, dass diese ihrer Mutter gehörig die Meinung sagen würde, war erstaunt, dass Madames einzige Reaktion ein nachdenkliches Schürzen ihrer dunkelrot geschminkten Lippen war.
    Â»Also gut, dann soll es Melbourne sein. Ich werde mich erkundigen.«
    Â»Wie hast du es nur geschafft, Madame so schnell umzustimmen?«, fragte Etty ihre Mutter später. »Normalerweise mag sie es überhaupt nicht, wenn man ihr widerspricht.«
    Â»Madame hat vor vielen Jahren etwas getan, was mir großen Kummer bereitet hat. Sie wird mich bestimmt nicht noch einmal verärgern wollen.«
    Â»Was hat sie dir angetan, Mama? Und warum hast du mich trotzdem zu ihr in den Unterricht geschickt?«
    Â»Weil Madame eine ausgezeichnete Lehrerin ist. Ich wollte nicht, dass du von jemandem unterrichtet wirst, der weniger vom Singen versteht als ich. Und was die Angelegenheit vor vielen Jahren betrifft – das ist lange vorbei. Dir ist es doch auch lieber, wenn du erst mal in Melbourne bleibst, oder?«
    Â»Ja, Mama, das stimmt. In einem Jahr, wenn ich achtzehn bin, dann werde ich bereit sein für die Welt.«
    Ettys erster Auftritt in der Welt der Oper fand in einer Inszenierung von Bellinis La Sonnambula statt. Sie hatte zwar nur eine kleine Rolle, doch an diesem Abend wurde ihr endgültig klar, wohin sie gehörte. Ihre Eltern und ihr Bruder saßen im Publikum zusammen mit Madame, die unerschütterlich an ihrem Entschluss festhielt, weiterhin Ettys Lehrerin und Begleitperson zu sein.
    Â»Sehen Sie«, flüsterte sie Meggan zu, »wie sie sich gegenüber den anderen Mädchen im Chor abhebt. Das ist Bühnenpräsenz, das ist Gesang, der von innen kommt. Ja, sie wird eine große Sängerin werden.«
    Während sie ihre Tochter beobachtete, kamen in Meggan neben mütterlichem Stolz auch nostalgische Gefühle auf. Sie hatte nie die Gelegenheit gehabt, bei einer Oper mitzuwirken. Ein winziges Bedauern, das sie nun darüber in sich spürte, ließ sie schuldbewusst ihren Mann ansehen. Der bemerkte ihren Blick, wandte den Kopf, lächelte sie an und nahm ihre Hand. Dann wandten beide ihre volle Aufmerksamkeit wieder der Bühne zu. Während Con zärtlich ihre Hand drückte, wusste Meggan, dass der Verzicht auf künstlerischen Ruhm kein zu hoher Preis für eine solche Liebe gewesen war. War es

Weitere Kostenlose Bücher