Lied des Schicksals
Aber â¦Â«
»Hier gibt es keine âºAberâ¹. Ich weiÃ, was das Beste für dich ist.« Sie richtete ihren gekränkten Blick zum Klavier und zu dem jungen Mann, der ihnen halb zugewandt dort saÃ. »Ihre Stimme ist noch nicht entwickelt, sagt sie. Sie ist zu dumm, ihrer Lehrerin zu vertrauen. Sagen Sieâs ihr, Alistair. Vielleicht hört die dumme Mädchen auf Sie.«
Alistairs Lippen zuckten leicht amüsiert, doch er fasste sich rasch wieder. »Madame hat recht, Etty. Deine Stimme hat sich wunderschön entwickelt.« Er lächelte ihr aufmunternd zu.
Etty spürte, wie ihre Lippen anfingen zu zittern. Madame schlug entnervt die Hände über dem Kopf zusammen. »Jetzt auch noch Tränen. Was ist mit dir los? Bist du etwa verliebt? Hast du vielleicht ein Liebhaber?«
»N⦠nein, Madame. Weder noch.« Etty schluckte ihre Tränen hinunter. Sie würde sich nicht einschüchtern lassen. Wie viele Male hatte sie sich das schon geschworen? Madame könnte, wenn sie wollte, wahrscheinlich einen Feuer speienden Drachen zum Kuschen bringen. Bei der Vorstellung musste sie beinah kichern. Sofort waren ihre Augen wieder trocken.
»Sehr schön.« Madame machte immer noch ein leicht beleidigtes Gesicht, während sie sich auf ihren Stuhl plumpsen lieÃ, den spanischen Fransenschal neu um ihre Schultern drapierte und dabei Etty völlig ignorierte.
Etty blieb stehen, die Hände vor ihrem Rock zu Fäusten geballt. Sie spürte, wie sie vor Scham rot wurde, und wäre am liebsten im Boden versunken. Alistair warf ihr vom Klavierhocker aus immer wieder beruhigende Blicke zu. Etty lächelte ihn mit bebenden Lippen an, um zu zeigen, dass sie seine wortlose Unterstützung zu schätzen wusste.
Madame strich derweil mit den Händen über ihren Rock, drückte ihre Frisur zurecht und zupfte wieder an ihrem Schal. SchlieÃlich sah sie Etty durchdringend an und blaffte so laut, dass diese zusammenzuckte. »Du wirst dich entschuldigen.«
Etty stammelte erst ein wenig, dann holte sie tief Luft, um ihre Stimme zu beruhigen. »Es tut mir leid, Madame. Ich wollte Sie nicht beleidigen, Madame, aber ich fühle mich noch nicht bereit aufzutreten.«
»Ich hab dir doch gesagt, es gibt hier keine âºAberâ¹. Ich mag diese Wort nicht. âºAberâ¹ ist eine schwache Ausrede für Leute, die etwas nicht tun wollen oder vor etwas Angst haben.« Plötzlich trat ein Leuchten in ihre dunklen Augen. »Ah. Das ist die Problem. Du hast Angst, auf die Bühne zu singen.«
Etty nickte unglücklich. »Ich habe kein Vertrauen zu mir. Als wir letzten Monat in der Oper waren, da war die Sopranistin fantastisch. Ich habe das Gefühl, dass ich niemals so gut sein kann wie sie.«
Madames fleischige Hand voller Ringe tat die Ausrede mit einer verächtlichen Bewegung ab. »Ich will nicht, dass du so bist wie andere Sängerinnen. Ich will, dass du besser bist als alle anderen. Hast du denn auch kein Vertrauen zu mir? Glaubst du, ich weià nicht, wovon ich rede?«
»Ja, Madame. Ich meine nein â ich meine â¦Â« Etty rang die Hände. »Es tut mir leid, Madame. Ich weiÃ, dass Sie mir nicht sagen würden, dass ich bereit bin, wenn Sie nicht voll und ganz daran glaubten.«
EinigermaÃen besänftigt stand Madame auf und gab Etty einen Kuss auf jede Wange. »Danke, meine Liebe. Nun fangen wir an, Pläne zu schmieden.«
Als Folge dieser Pläne reiste Ettys Familie Ende des Jahres nach Adelaide. Ettys Debüt sollte beim Weihnachtsball in der Residenz des Gouverneurs stattfinden. Es wurde ein absoluter Triumph und brachte ihr ein Lob von Madame ein, was selten vorkam. Noch mehr freute sich Etty, als sie sah, wie stolz ihre Eltern auf sie waren. Als sie nach dem Auftritt zu ihnen kam, hatte ihre Mutter Tränen der Rührung in den Augen. Auch ihr Vater schien beinah von seinen Gefühlen überwältigt zu werden. Ruan war völlig perplex.
»Donnerwetter, Etty. Du bist ja richtig erwachsen geworden. In diesem schicken Kleid siehst du überhaupt nicht mehr aus wie meine Schwester.«
»Das ist kein Kleid, das ist eine Robe«, klärte Etty ihn auf. »Weià mein Bruder denn gar nichts, Mama?«
»Ich weiÃ, wie man ein Schaf schert. Das hab ich in der letzten Schersaison gelernt. Und ich kann das gut, nicht wahr, Papa?«
Ihr Vater lachte. »Jedem das Seine.
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