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Lied des Schicksals

Lied des Schicksals

Titel: Lied des Schicksals Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Merice Briffa
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Den Ergebnissen war ein Brief des Dekans der juristischen Fakultät beigefügt. Was darin stand, ließ Darcy vor Wut toben. Er warf den Brief auf den Fußboden und verließ wortlos das Haus, wobei er die Tür hinter sich zuknallte. Erschrocken und besorgt zugleich hob Jane den Brief auf und las ihn mit zitternden Händen.
    Lieber Mr Winton,
    ich möchte Ihnen zu den hervorragenden Ergebnissen gratulieren, die Sie bei der Aufnahmeprüfung erzielt haben. Ihre intellektuellen Fähigkeiten müssen die weit verbreitete Ansicht erschüttern, dass Aborigines weniger Verstand haben als Weiße. Allerdings ist mir bekannt, dass Ihr Vater weiß war, was zweifellos Ihre Fähigkeiten erklärt.
    Leider muss ich Ihnen jedoch mitteilen, dass Sie keinen Studienplatz an der juristischen Fakultät erhalten werden. Irgendwie ist dem Direktorium zu Ohren gekommen, dass eine Person mit Aborigine-Abstammung an der Prüfung teilgenommen hat. Die Empörung wurde noch größer, als man feststellte, dass Ihre Noten erheblich besser als die des Sohnes von einem der Direktoren waren.
    Als Folge dieser Angelegenheit drohte mir der Verlust meiner Stellung als Dekan. Man teilte mir sogar mit, dass meine Beschäftigung in irgendeiner Funktion ernsthaft überdacht werden müsse. Ich habe eine kranke Frau und mehrere Kinder zu versorgen. An die muss ich zuallererst denken.
    Sie sind ein junger Mann, der das Leben noch vor sich hat. Ich bin sicher, dass Ihnen noch viele Möglichkeiten offenstehen.
    Mit freundlichen Grüßen
    â€¦â€¦â€¦â€¦â€¦â€¦â€¦â€¦â€¦â€¦
    Lange Zeit starrte Jane auf den Brief, doch statt der Worte sah sie nur noch vor sich, wie ihr Sohn wütend aus dem Haus gestürmt war. Möge Gott ihn davor bewahren, etwas Törichtes zu tun. Da bemerkte sie auf dem Tisch einen zweiten, ungeöffneten Briefumschlag, der in Mr Boniface’ Handschrift an Darcy adressiert war. Jane hatte keine Bedenken, ihn zu öffnen.
    In dem Brief verhöhnte Mr Boniface die Borniertheit und rassische Unwissenheit angeblich intelligenter Männer. Außerdem erklärte er, er sei bitter enttäuscht von der, wie er es nannte, Feigheit seines Freundes, des Dekans.
    Besonders misslich ist die Tatsache, Darcy, dass der kleinere der beiden Rüpel, die Dich nach der Prüfung angepöbelt haben – Du erinnerst Dich ganz bestimmt an ihn –, der Sohn eines der Direktoren ist. Soweit ich weiß, haben seine Noten so gerade für eine Zulassung gereicht.
    Ich weiß, wie bitter enttäuscht und wütend Du über diese ganze Ungerechtigkeit sein wirst. Doch auch wenn die Pforten der Universität nun für Dich verschlossen sind, versichere ich Dir, dass ich nach einem anderen Weg suchen werde, wie Du Deinen Traum verwirklichen kannst.
    Es gab noch zwei Abschnitte in ähnlichem Tenor, in denen er Darcy beschwor, Geduld zu haben und nichts Unüberlegtes zu tun.
    Wie gut er meinen Sohn kennt, dachte Jane. Sie wünschte, Nelson wäre nicht fort, um Schafe zusammenzutreiben. Gerade jetzt würde Darcy mehr denn je die starke leitende Hand eines Vaters brauchen.
    Wo auch immer Darcy hingegangen war, um seine Wut abzureagieren, er erzählte nichts darüber, als er pünktlich zum Abendessen nach Hause kam.
    Â»Ich will nicht darüber reden«, erklärte er, noch bevor Jane den Mund aufgemacht hatte.
    Â»Wie du willst, mein Lieber.« Sie stellte einen Teller mit Hammeleintopf vor ihn hin. Es gefiel ihr nicht, dass er so sehr grübelte und so schweigsam war. Deshalb war sie erleichtert, als er nach dem Essen sagte, er würde Louisa besuchen gehen.
    Darcys Gesichtsausdruck sagte Louisa sofort, dass irgendetwas fürchterlich schiefgelaufen war. Sie legte ein Tuch um ihre Schultern, dann gingen beide zum Fluss. Der Mond, der gerade groß und golden aufgegangen war, erhellte die Nacht. Louisa stellte keine Fragen. Sie wusste, dass Darcy reden würde, wenn er dazu bereit war.
    Erst als sie am Fluss waren, erzählte er ihr alles. Seine Worte klangen so verbittert, dass sie wünschte, sie könnte irgendwie seinen Schmerz lindern.
    Â»Was willst du jetzt machen?«
    Er zuckte teilnahmslos mit den Schultern, und seine Worte trieften vor Hohn. »Ich nehme an, ich werde hierbleiben und mein Leben lang dämliche Schafe über die Weiden jagen.«
    Â»Ist das denn so schlimm?« Louisa legte eine Hand auf seinen Arm.

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