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Lied für eine geliebte Frau

Lied für eine geliebte Frau

Titel: Lied für eine geliebte Frau Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Erik Orsenna
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Lippen.Achtung, ich nähere mich der Familie. Beileidsbekundungen waren noch nie meine Stärke. Was könnte ich sagen? So jung zu sterben! Eine so schöne junge Frau! Immer sachlich bleiben. Zum Glück sind meine Augen immer gerötet.
    Ich achte nicht nur auf den Bürgermeister. Ich lasse auch die drei früheren Geliebten nicht aus den Augen, die Jugendliebe, den Ehemann, den verheirateten Liebhaber. Keiner ist als Redner vorgesehen. Aber man weiß nie. Es gibt immer Leute, die sich hervortun wollen, Leute, die in die Geschichte eingehen wollen, indem sie das letzte Wort sprechen. Im Herzen meiner Sonne waren sie zwar meine Vorgänger (daran hat man, soviel steht fest, schwer genug zu schlucken), aber es kommt nicht in Frage, dass einer dieser hemdsärmeligen Herren Ansprüche stellt und eine vorrangige Stellung einnimmt.

    Mein Bruder wäre beinahe nicht zur Beerdigung gekommen.
    Ich kann ihn verstehen. Er hatte sich gegen diese Krankheit gesperrt, er wollte nicht an den Tod glauben. Wenn schon die Geliebten, selbst die von untergeordneter Bedeutung (die Stücke im Stückwerk Liebe), anfangen krank zu werden und schließlich sterben, wer will da noch glauben, dass der Adel der Liebe (die einzige Liebe) nicht eines Tages ebenfalls heimgesucht wird?
    Mein Bruder ist vor allem Arzt. Und kennt sich aus in der Geschichte. Er weiß, dass die Pest ganze Dörfer hinwegraffte und die Burg des Herrn dazu.
    Ich habe ihn angerufen. Ich habe mich zusammengerissen und mit besonders sanfter Stimme gesprochen:
    Â«Wenn du nicht kommst, besuche ich dich nicht mehr.»
    Ich war sehr zufrieden mit meiner sanften Stimme. Ich glaube, ich habe nie zuvor so sanftmütig geklungen.
    Ich spürte sein Zögern am Ende der Leitung. Er kennt mich, er weiß, dass ich zwar meine Gefühle zerstückelt habe, aber niemals meinen Willen. Wenn ich etwas beschließe, bleibe ich dabei. Vielleicht gibt es da einen Zusammenhang? Vielleicht verschlingen einander die einzigartigen Dinge in uns? Vielleicht verschlingt die einzige Liebe den einzigen Willen und umgekehrt?
    Am nächsten Morgen sah ich sein weißes Hemd am Meer. Ich weinte. Und schwor mir, nicht wieder zu weinen, bis es Abend würde.
    Ich hielt Wort. Mein einziger Stolz an diesem Tag.

    Die eben noch so übermütigen Sargträger haben ihren Schritt verlangsamt. Der Sarg auf ihren Schultern schwankt. Im Grunde hätte der Trauerzug übers Meer fahren sollen, so weit, wie der Weg war. Ich bin sicher, das Wasser hätte ihn gut getragen. Im 5. und 6. Jahrhundert kamen Heilige aus Irland, um das Evangelium in der Bretagne zu verbreiten. Sie setzten mit dem über, was sie fanden, kamen in Tränken oder Steintrögen übers Meer.
    Am liebsten wäre es mir, wenn jetzt alle verschwänden.
    Â«Und der Sarg?», würden mich die Sargträger fragen.
    Â«Setzen Sie ihn vorsichtig im Gras ab. Ich kümmere mich um ihn. Danke für alles (einen Schein in die Westentasche jedes Sargträgers). Auf Wiedersehen, ihr alle, und danke, dass ihr so zahlreich gekommen seid.»
    Vor langer Zeit muss hier einmal ein Radrennen durchgekommen sein. Die Anfeuerungen, die man auf den Asphalt gemalt hat, sind kaum noch zu entziffern.
    Ich würde mit ihr im Sarg sprechen. Im Leichenhaus habe ich mich nicht getraut. Die süßliche Musik verhinderte alles. Ich habe es versucht, aber die süßliche Musik zuckerte die Worte, Sirup rann über die Sätze. Es lohnte sich nicht weiterzureden. Ich habe sofort aufgehört.
    Ich werde mit ihr sprechen, und dann brechen wir einfach auf, der Sarg und ich, nur wir beide. Wir sind nicht oft genug zusammen aufgebrochen, sie und ich, nur wir beide. Es wird höchste Zeit.

    Â«Wir sind angekommen.»
    Der Herr der Trauerfeierlichkeiten, der umgeschulte ehemalige Fischer, lächelt mir zu. Die Haut seines Gesichts ist gegerbt, der Teint seines früheren Berufs. Ob ihm bis zur Rente noch Zeit bleibt, um so blass zu werden wie die echten Bestattungsunternehmer?
    Der Sarg, mein Sarg, mein Gefährte, wird über den Parkplatz getragen. Ein riesiger Parkplatz. Die Behörden waren vorausblickend. Entweder werden die Franzosen viel sterben. Oder die Überlebenden werden sich in Scharen für die Toten interessieren.
    Die drei Geliebten, Monsieur Jugendliebe, MonsieurEhegatte und Monsieur Leidenschaft, rücken zusammen.

    Der ehemalige Fischer hat nichts begriffen. Wenn er in

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