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Lied ohne Worte: Roman (German Edition)

Lied ohne Worte: Roman (German Edition)

Titel: Lied ohne Worte: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sofja Tolstaja
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Frau trat ein, Aljoscha auf dem Arm.
    «So groß und wird noch getragen! Aber, aber!», sagte Pjotr Afanassjewitsch und nahm den Knaben aus dem Arm der Kinderfrau.
    «Solange ich fort bin, gehen Sie bitte nur mit Aljoscha spazieren, wenn es nicht mehr als drei Grad Frost hat, und auch dann nur, wenn kein Wind geht. Dies bloß für den Fall, dass ich lange bleiben muss.»
    «Sehr wohl.»
    «Und versorgen Sie ihn gut, sonst ruiniert ihm Pjotr Afanassjewitsch mit seinem Vegetarismus noch den Magen.»
    «Sie meinen also, es sei besser, Ihren Sohn mit einem sich zersetzenden Leichnam zu ernähren? »
    «Wie dem auch sei, was er auch sagen mag, dass mir aber für Aljoscha jeden zweiten Tag Hühnchen gekauft wird. Hier haben Sie Haushaltsgeld. »
    Der Reisekoffer, das Plaid und das Kissen, die Hutschachtel – alles war bereit. Auch die Reisegenehmigung der Polizeibehörde war gebracht worden. Sascha kleidete sich an, nahm ihren Beutel, legte ein Buch und die Geldbörse hinein. Ein Schauer durchlief ihren Körper von Kopf bis Fuß. Niemals zuvor war sie allein so weit gereist; niemals zuvor hatte sie sich von dem kleinen Sohn und ihrem Mann getrennt. Sie spürte, wie etwas in ihrem Herzen erstarb, da sie die beiden verlassen musste. Pjotr Afanassjewitsch versuchte, sie aufzumuntern, doch er war um sie besorgt; auch ängstigte ihn die schreckliche Leere und Einsamkeit, in der er zurückbleiben würde ohne seine heitere und kluge Sascha, die so viel Fürsorglichkeit, Ordnung und Sinn in sein Leben gebracht hatte.
    Doch die Zeit lief davon; bis zur Abfahrt des Zuges blieben nur mehr drei Viertelstunden, und der Weg zum Bahnhof war weit. Sascha küsste die Njanja und Parascha, dann ihren Mann; schließlich, gleichsam ihre letzten Kräfte sammelnd, nahm sie Aljoscha auf den Arm und küsste unter Tränen seine Augen, sein weiches, goldfarbenes Haar, seine Hände und Lippen. Darauf machte sie segnend das Kreuzzeichen über ihm und eilte zur Tür.
    «Mama, Mama, leb wohl, lass mich dich segnen», rief der Knabe. Sascha kam zurück, Aljoscha schlug ernsthaft und ungelenk das Kreuz über ihr und war es zufrieden.
    Pjotr Afanassjewitsch erinnerte sich plötzlich, dass er seine Frau ja begleiten müsse, und lief sich anzukleiden. Sascha indes wollte allein sein und suchte ihn mit aufgeregten Worten davon abzuhalten. Pjotr Afanassjewitsch, der eigentlich vorgehabt hatte, eine gerade erhaltene Druckschrift über die Zimmerpflanzenzucht zu lesen, war in seinem Innern froh darüber, dass er zu Hause bleiben konnte.
    «Bitte kümmere dich um Aljoscha und tröste ihn», sagte Sascha noch.
    Es wurde dunkel, als Sascha ihr Heim verließ. In der Droschke warf sie einen Blick auf ihr Gepäck, zählte die Taschen und schloss die Augen. Sie konnte nicht mehr weinen noch an die Daheimgebliebenen oder daran denken, was sie auf der Krim erwartete. Zu sehr hatte sie die Aufregung und die Unruhe der letzten Tage ermüdet, und das leichte Wogen des Wagens ließ sie unruhig einschlafen.

II
     
    «Bin ich nicht zu spät?», fragte Sascha, als sie am neu erbauten, mit elektrischem Licht hell erleuchteten Bahnhof ankam.
    «Auf den Zug nach Kursk? Nein, es bleiben noch zwanzig Minuten bis zur Abfahrt», antwortete der Träger, der das Gepäck aus dem Wagen nahm.«Wohin soll es gehen?»
    «Auf die Krim, eine direkte Verbindung. Welches ist Ihre Nummer?»
    «Sechsundachtzig. Welcher Klasse?»
    «Zweiter.»
    Trotz des schweren Gepäcks lief der Dienstmann so schnell, dass Sascha kaum hinterherkam. Er warf die Taschen in den Gepäckwagen und ging, das Billett zu kaufen.
    «Kursk: 7 Pud 16, Tula: 4 Pud 24, Jalta: 3 Pud 8», 4 verlautbarte mit knappen Worten und seltsam kehliger Stimme der Bedienstete an der Gepäckwaage. Da war auch schon die Nummer sechsundachtzig. Der Träger brachte das Billett und den Gepäckschein; die Klingel ertönte, und wieder lief Sascha schnell den Bahnsteig entlang, andere eilende Reisende überholend, dem Träger hinterher.
    «Zweiter Klasse, Damenkupee…»
    «Bitte sehr, nur eine weitere Dame…»
    «Wunderbar. Ich danke Ihnen», sagte Sascha, gab dem Träger dreißig Kopeken und trat in das halbdunkle Kupee. Der Träger verstaute das Gepäck und sagte, sich verneigend:«Gute Fahrt.»
    «Vielen Dank. Aber wo sind das Plaid und das Kissen?»
    «Hier.»
    «Geben Sie es doch bitte herüber.»
    Der Träger holte das Plaid aus dem Gepäcknetz, es klingelte zum dritten Mal, er sprang aus dem Waggon, ein Pfiff ertönte, die

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