Lied ohne Worte: Roman (German Edition)
wie die Manuskripte ihres Mannes, im Staatlichen Museum Lew Nikolajewitsch Tolstoi in Moskau. Den bedeutendsten Teil des Nachlasses stellen ihre Briefe an ihren Mann, ihre Verwandten und ihr Nahestehende, an bekannte und weniger bekannte Zeitgenossen dar. Ein Großteil dieser Briefe ist bis zum heutigen Tag unveröffentlicht. Zu Lebzeiten Sofja Andrejewnas wurden ihre Erzählungen für Kinder, literarische Porträts von Zeitgenossen sowie der Gedichtzyklus Seufzer verlegt. Die Tage- und Notizbücher erschienen nach Tolstajas Tod in verschiedenen kommentierten Ausgaben, wobei allerdings umfangreiche Kürzungen von Abschnitten erfolgten, die entscheidende Bedeutung für das Verständnis der Ehe haben. Fünfundsiebzig Jahre nach ihrem Tod gelangte der Roman Eine Frage der Schuld in Russland zur Veröffentlichung. Des Weiteren erschienen in verschiedenen Zeitschriften ausgewählte Kapitel ihrer Erinnerungen Mein Leben .
Das Manuskript von Lied ohne Worte wurde der Handschriftenabteilung des Staatlichen Tolstoi-Museums im Jahr 1938 aus Jasnaja Poljana übergeben. Das Manuskript umfasst insgesamt neun Hefte und ein Typoskript. Die ersten sieben Hefte sind auf das Jahr 1895, die beiden letzten auf das Jahr 1900 datiert – sie stellen eine von Sofja Tolstaja korrigierte neue Fassung des Manuskripts dar.
Der vorliegenden Publikation liegt das in der Handschriftenabteilung befindliche Typoskript des Romans zugrunde. Es entstand vermutlich im Jahr 1904, in dem Tolstaja die Schreibkraft Warwara Michailowna Feokritowa mit der Abschrift ihrer Manuskripte betraute. Das Typoskript trägt Korrekturen von Tolstajas Hand und kann daher als autorisierte Ausfertigung gelten. Für die Publikation wurde es mit der handschriftlichen Version des Textes aus dem Jahr 1895 abgeglichen, und bei der Abschrift durch die Schreibkraft eingebrachte Fehler wurden korrigiert.
Über hundert Jahre lag Lied ohne Worte unter Verschluss. Die Veröffentlichung ihres zweiten Romans wagte Tolstaja zu Lebzeiten ebenso wenig wie die ihres Erstlings Eine Frage der Schuld . In Disputen mit Lew Nikolajewitsch sprach sie zwar wiederholt die Drohung aus, ihre Werke zu veröffentlichen. Tolstoi wusste von deren Existenz, hatte sie gelesen, ja sogar deren literarische Bedeutung bemerkt, allerdings fürchtete er die Publikation wohl kaum. Offensichtlich war er der Meinung, dass diese wie eine Selbstentblößung wirken werde. Das glaubte möglicherweise auch Sofja Andrejewna selbst.
In den 1890er Jahren entflammte die bereits über fünfzigjährige Sofja Tolstaja für den russischen Komponisten und hervorragenden Pianisten Sergej Iwanowitsch Tanejew, der jedoch dem weiblichen Geschlecht wohl abweisend gegenüberstand. Für die Familie, besonders für Lew Tolstoi, war die Freundschaft Sofja Andrejewnas zu dem Musiker eine große Belastung.«Die Schwärmerei unserer Mutter», erinnert sich der älteste Sohn Sergej Tolstoi,«bekümmerte uns alle sehr, und zwar vor allem, weil sie unserem Vater überaus unangenehm war.»
Die Tagebücher Lew Tolstois, seiner Ehefrau und Sergej Tanejews legen von ihrem schwierigen Verhältnis Zeugnis ab, das auch im Lied ohne Worte seinen Niederschlag findet. Die Übereinstimmungen mit dem Leben sind zahlreich.
Der Tod der Mutter der Protagonistin ist Widerhall des Todes des jüngsten Tolstoi-Sohnes, Wanetschka. Pjotr Afanassjewitsch mit seinem Unverständnis für das Seelenleben seiner Frau, mit seiner ermüdenden Wissenschaftlichkeit und fanatischen Begeisterung für den Gartenbau kommt Tolstoi nahe, dem Sofja Andrejewna häufig vorwarf, egoistisch zu sein und seine Kunst zu vernachlässigen. Die eindrucksvolle musikalische Begabung und außergewöhnliche Empfindsamkeit sind Eigenschaften nicht nur Iwan Iljitschs, sondern auch Sergej Tanejews.
Sascha ist nahezu ein Abbild Sofja Andrejewnas, wie sie selbst sich sieht. Wie Tolstaja begeistert sich Sascha für Musik und die Philosophie der Antike, beschäftigt sich mit Malerei und unterstützt die ihr Nahestehenden in schwierigen Lebenssituationen. Sie ist eine romantische Seele, die ihre Umwelt feinsinnig erfasst, die sich hingezogen fühlt zu den Schönheiten der Natur und Kunst, die zur Selbstaufopferung neigt. Ihre wichtigste Eigenschaft jedoch ist die Sehnsucht nach wahrer, stürmischer, leidenschaftlicher Liebe.
Tolstajas Lied ohne Worte nimmt mehrfach Bezug auf das künstlerische Schaffen ihres Ehemannes. Bisweilen kann man sich des Eindrucks nicht erwehren, dass Sofja
Weitere Kostenlose Bücher