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Lieder von Sternen und Schatten

Lieder von Sternen und Schatten

Titel: Lieder von Sternen und Schatten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: George R. R. Martin
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sinken.
    »Ich glaube, wir haben die Arbeit da draußen umsonst gemacht«, sagte er. »Auf irgendeine Weise hat der Schwamm erraten, was wir vorhatten. Er ist schlauer, als wir ihm zugetraut haben.«
    »Reyn«, sagte Granowicz.
    »Reyn?« wiederholte Delvecchio und sah ihn fragend an.
    »Er wußte, daß wir versuchen würden, die Station zu verteidigen. Mit diesem Wissen ist es für den Schwamm logisch, alles zu zerstören, was wir dort draußen tun. Vielleicht hat Reyn den Absturz überlebt. Vielleicht hat der Schwamm endlich einen Menschen.«
    »O Scheiße«, sagte Delvecchio mit Nachdruck. »Ja, sicher, Sie könnten recht haben. Oder vielleicht ist alles ein großer Zufall. Eine Anhäufung von Zufällen. Woher wollen wir es wissen? Woher wissen wir irgend etwas darüber, was das verdammte Ding denkt oder tut oder plant?« Er schüttelte den Kopf. »Verdammt. Wir kämpfen blind. Jedesmal, wenn etwas geschieht, gibt es ein Dutzend Gründe, die dahinterstecken könnten. Und jeder Plan, den wir machen, muß ein Dutzend Alternativen enthalten.«
    »So schlimm ist es nicht«, sagte Granowicz. »Wir tappen nicht völlig im dunkeln. Wir haben bewiesen, daß der Schwamm irdische Formen übernehmen kann. Wir haben bewiesen, daß er zumindest ein Teilwissen aus ihnen bezieht, daß er zumindest einiges von dem aufnimmt, was sie gewußt haben. Wir wissen nicht, wieviel, gewiß, aber –«
    »Aber, wenn, jedoch, vielleicht«, fauchte Delvecchio angewidert. »Verdammt noch mal, Ike, wieviel, das ist die entscheidende Frage. Wenn er Reyn hat, und wenn er alles weiß, was Reyn wußte, dann weiß er alles, was es über Greywater und seine Abwehrmöglichkeiten zu wissen gibt. Was haben wir in diesem Fall überhaupt noch für eine Chance?«
    »Hm«, sagte Granowicz. Er runzelte die Stirn, rieb sich das Kinn. »Ich – hmmmm. Warten Sie, es gibt noch andere Aspekte, die erst durchdacht werden müssen. Lassen Sie mir etwas Zeit, mich damit zu befassen.«
    »Gut«, sagte Delvecchio, »tun Sie das.« Er wandte sich an Andrews : »Arnold, halten Sie sie von den Bäumen fern, so gut es geht. Ich löse Sie in vier Stunden ab.«
    Andrews nickte.
    »Wird schon okay sein«, sagte er, die Augen am Nachtvisier.
    Delvecchio erteilte kurze Anweisungen an Sanderpay, dann drehte er sich um und verließ die Kuppel. Er ging sofort zu seiner Koje. Bis er einschlafen konnte, verging fast eine Stunde.
    Delvecchios Traum:
    Er war alt und kühl. Er sah die Station in einer wechselnden Montage von allen Seiten; manchmal von Bodennähe, manchmal von oben, auf lautlosen Schwingen. In einem Bild sah oder spürte er es, wie ein Wurm das Vorhandensein der schweren Last von Sonnenlicht spüren mußte.
    Er sah die Station verkrümmt, alt, eine Ruine. Er sah die Station in einer Reihe von Bildern innen. Er sah ein Skelett in der Ecke eines undeutlichen Labors, und blickte durch die Augen des Totenschädels in die zerstörte Station. Draußen sah er aufgehäufte Leichen in Panzern aus legiertem Dural, aus deren zersprungenen Sichtscheiben graugrüne Gewächse wucherten.
    Und er blickte aus den Sichtscheiben hinaus in den Sumpf. Überall war es graugrün und feucht und alt und kalt. Überall.
    Delvecchio erwachte schweißgebadet.
     
    Seine Wache verlief ohne Zwischenfälle. Die Glitscher waren so plötzlich verschwunden, wie sie aufgetaucht waren, und er feuerte mit dem Laser nur einmal auf eine sorglose Sumpf-Fledermaus, die zu nahe heranflog. Miterz löste ihn ab. Delvecchio holte wieder ein paar Stunden Schlaf nach. Oder wenigstens lag er in der Koje und dachte nach.
    Als er am nächsten Morgen in die Cafeteria ging, war ein Streit im Gange.
    Granowicz wandte sich sofort an ihn.
    »Hören Sie, Jim«, sagte er und gestikulierte. »Ich habe die ganze Nacht darüber nachgedacht. Wir haben etwas Naheliegendes übersehen. Wenn das Wesen Reyn oder die Soldaten oder irgendeinen Menschen hat, dann ist das die Chance, auf die wir gewartet haben. Die Chance, uns mitzuteilen, wechselseitig zu einem Verständnis zu kommen. Mit ihrem Wissen wird es eine gemeinsame Sprache mit uns haben. Wir sollten überhaupt nicht dagegen kämpfen. Wir sollten versuchen, mit ihm zu sprechen, ihm klarzumachen, wie anders wir sind.«
    »Sie sind wahnsinnig, Granowicz«, sagte Sheridan laut. »Rettungslos wahnsinnig. Sprechen Sie doch mit dem Zeug. Ich nicht. Es hat es auf uns abgesehen. Es hatte es von Anfang an auf uns abgesehen, und jetzt schickt es uns die Soldaten, um uns alle umzubringen.

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