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Liegen lernen

Liegen lernen

Titel: Liegen lernen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Frank Goosen
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gleichen Stockwerk lag. Da ich es nicht eilig hatte, war ich einer der letzten. Roberta Appleman rief meinen Namen und hielt mich zurück.
    Sie sagte: »Schön, daß Sie wieder dabei sind.«
    »Hört sich interessant an, das Thema.«
    Sie lachte. »Sie sind sicher einer der wenigen, die ein Seminar über verfassungshistorische Fragen interessant finden.«
    »Aber offenbar nicht der einzige.«
    »Wenn Sie die anderen meinen – die brauchen doch nur den Schein. Und das Seminar liegt angenehm spät am Dienstagnachmittag. Macht das lange Wochenende nicht kaputt. Außerdem gelte ich als nachsichtig, was die Abgabefristen für die Hausarbeiten angeht.«
    »Mag sein, daß das eine Rolle spielt.«
    »Aber Sie brauchen den Schein nicht, Sie haben schon einen bei mir gemacht. Bei Ihnen muß es echtes Interesse am Thema sein, oder?«
    »Klar«, sagte ich. »Ich denke mal, es kann nicht falsch sein, sich ein bißchen im neunzehnten Jahrhundert auszukennen, wenn man bei Mutter arbeitet.«
    »Mag sein.«
    »Wo wir gerade…«
    »Ja?« Sie sah mich an.
    »Ich habe Ihnen etwas mitgebracht.«
    »Was denn?«
    Ich zog die CD aus der Jackentasche und gab sie ihr.
    »Miles Davis!« rief sie.
    »›Fahrstuhl zum Schafott‹. Die Filmmusik.«
    »Äh… das ist sehr… nett von Ihnen.«
    »Naja, ich dachte, das muß man schon haben, wenn man Jazz mag.«
    »Vielen Dank.«
    Sie gab mir die Hand und sah mich kurz an. Dann packte sie ihre Sachen zusammen. »Ich fahre in die Stadt. Soll ich Sie mitnehmen?«
    Mein Wagen stand im Parkhaus, trotzdem sagte ich ja.
    »Eine tolle Gelegenheit, wieder zusammen im Fahrstuhl stekkenzubleiben«, sagte sie.
    »Vielleicht sollten wir die Treppe nehmen.«
    Sie lachte wieder. Um ihre Augen bildeten sich Fältchen. »Ich denke, das wird nicht nötig sein.«
    »Soll ich Ihnen wieder was tragen?«
    »Heute habe ich nur die eine Tasche, das geht schon.«
    Wir gingen zum Fahrstuhl und fuhren nach unten. Sie hatte ihren Wagen auf dem Dozentenparkplatz direkt am Gebäude.
    Sie warf ihre Tasche auf den Rücksitz, und wir stiegen ein und fuhren los. Etwa auf halbem Wege in die Stadt fragte sie mich nach der Uhrzeit. Es war kurz nach drei.
    »Ich weiß nicht, wie es mit Ihnen ist«, sagte sie, »aber ich habe Hunger. Sollen wir nicht noch was essen gehen?«
    »Tja«, sagte ich, »wieso nicht.« Wir gingen in die nächste Pizzeria, vor der ein Parkplatz frei war. Wir bestellten Salat und Pasta und Wein, unterhielten uns über das neunzehnte Jahrhundert, aber auch über das zwanzigste, und über klassische Musik und die Situation in der DDR im besonderen und im Ostblock im allgemeinen, und über Mutter und die Uni und sogar über Fußball, und als der Espresso kam, sagte Roberta Appleman zu mir: »Ich möchte mit Ihnen schlafen.«
    Und so begann meine Affäre mit Roberta Appleman. Sie war einundvierzig. Sie sagte, ihr Hintern sei schon ein wenig aus der Form, aber ich sagte, das sei Unsinn. Wir behielten beide unsere Wohnungen, verbrachten nur jeden zweiten oder dritten Abend gemeinsam, und am Lehrstuhl taten wir, als seien wir nur Kollegen.
    Wir trafen uns mal bei ihr, mal bei mir, sie störte die Unordnung in meiner Wohnung nicht. Wir liebten uns in aller Ruhe, nur manchmal etwas heftiger, und danach blieben wir lange liegen, ohne etwas zu sagen. Wir kochten zusammen und sahen uns Filme an. Roberta konnte gut kochen, und ich lernte ein wenig von ihr. Wir hatten immer ein paar leckere Sachen im Haus, feine, manchmal nicht ganz billige Sachen. Aber Roberta machte nicht so viel Aufhebens darum wie Beck. Roberta liebte es, nackt in der Wohnung herumzulaufen. Sie achtete aber immer darauf, daß die Vorhänge geschlossen waren. Ich fühlte mich wohler, wenn ich wenigstens Boxershorts trug.
    Wir sahen uns »Fahrstuhl zum Schafott« an. Roberta fragte sich, wieso der Typ in dem engen Aufzug auch noch rauchen mußte. Ihr wäre schlecht geworden. Wir waren uns einig, daß es kaum einen Film gab, wo die Bilder und die Musik so perfekt zusammenpaßten.
    Die Tage wurden kürzer, es war wieder dunkel, wenn die »Tagesschau« lief. Ich half Roberta beim Schreiben eines Aufsatzes. Sie sagte, das habe sie bisher immer allein gemacht und eigentlich sei sie zu eitel, um sich von jemandem, einem Mann zumal, dabei helfen zu lassen, aber sie habe tatsächlich das Gefühl, daß der Aufsatz durch mich besser werde. Das schmeichelte mir, aber ich wußte, daß sie recht hatte. Ich mochte Geschichte. In dem Augenblick, da sie passierte, schien

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