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Liegen lernen

Liegen lernen

Titel: Liegen lernen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Frank Goosen
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zog mir was Sauberes an. Den Rest der Zeit legte ich mich wieder ins Bett und sah fern.
    Anfang Oktober kam Mutter aus Italien zurück, und es wurde wieder ernst. Notgedrungen hatte ich in der Zwischenzeit angefangen, Freiübungen zu machen, um meine Rückenschmerzen in den Griff zu bekommen. Einmal in der Woche rasierte ich mich, aber nach drei Tagen sah ich für vier Tage aus wie ein Penner. Frau Schumann schüttelte nur noch den Kopf, wenn ich zur Tür hereinkam. Ein paar Tage, bevor Mutter zurückkam, zog ich die Notbremse. Eines Morgens stand ich schon gegen neun Uhr auf und brachte die Wohnung in Ordnung und duschte und zog mir frische Sachen an. Ich putzte das Bad und die Küche mit einem Reiniger, der nach Zitrone roch. Dann ging ich in die Stadt, zog am Geldautomaten ein paar hundert Mark und kaufte mir CDs. Das hatte ich schon lange nicht mehr getan. Ich versuchte es mal mit Jazz. Miles Davis, die Filmmusik zu »Fahrstuhl zum Schafott«. Außerdem Cannonball Adderly, weil mir der Name so gut gefiel. Und John Coltrane, weil man den eben haben mußte, das wußte ich schon. Zu Hause ließ ich die Musik ohne Kopfhörer laufen. Wenn es Melodie hatte, war es gut. Manchmal aber war mir dieses Saxophon-Gedudel zu hektisch. Am Abend legte ich mal wieder Simon and Garfunkel auf. War lange her. Ich konnte noch alle Texte. Ich wollte auch mal die Autos zählen am New Jersey Turnpike. Als es mir zu gemütlich wurde, hörte ich sehr laut »We’re on the Road to nowhere«, aber das war mir sehr schnell zu beziehungsreich, also hörte ich noch einmal die ersten Minuten von »Blue Train«. 
     
    Zwei Wochen vor Beginn des eigentlichen Semesters veranstaltete Roberta Appleman eine Vorbesprechung für ihr Seminar, in der man sich verbindlich anmelden sollte. Natürlich waren da die meisten noch in den Ferien. Sie versuchte dadurch die Teilnehmerzahl gering zu halten. Zu Semesterbeginn saßen dann aber trotzdem dreimal so viele Leute im Seminar, und Roberta Appleman brachte es nicht über sich, die, die sich nicht ordnungsgemäß angemeldet hatten, wieder rauszuschmeißen.
    Die Vorbesprechung fand im Sitzungssaal des Dekanats statt, nur ein paar Meter von Applemans Büro. Die Tische waren zu einem großen Rechteck zusammengestellt. Außer mir waren noch etwa fünfzehn andere dabei, nur zwei kannten sich offenbar schon und unterhielten sich tuschelnd, die anderen saßen gelangweilt herum oder lasen oder machten sich Notizen. Ich setzte mich in eine Ecke und wartete. Wir waren im fünften Stock, und es war sehr schönes Wetter. Die Sonne schien direkt herein, und die Stühle und Tische warfen Schatten.
    Die Appleman kam fast eine Viertelstunde zu spät. Plötzlich flog die Tür auf, und sie hastete herein, unterm Arm die gleiche schwere Tasche, die sie dabeihatte, als wir zusammen im Aufzug festsaßen. Sie trug ein orangefarbenes Kostüm mit einem kurzen Rock und eine weiße Bluse. Sie entschuldigte sich für ihr spätes Erscheinen und setzte sich an die Stirnseite des Rechtecks. Sie schien ihre Haare gefärbt zu haben, sie wirkten blonder als noch ein paar Monate zuvor. Sie schwitzte ein wenig, auf ihrer Stirn standen Schweißperlen. Sie sah gut aus. Sie stellte ihre schwere Tasche auf den Tisch und zog die Jacke ihres Kostüms aus. Die Sonne durchleuchtete von hinten ihre Bluse. Wenn sie die Arme ausbreitete, sah man die Umrisse ihres Körpers. Bewegte sie sich leicht seitwärts, erkannte man die Form ihrer Brüste. Sie hatte recht große Brüste.
    Nach einigen einleitenden Worten, mit denen sie uns zum neuen Semester begrüßte, setzte sie sich hin und zog sich die Schuhe aus. Durch ihre schwarzen Strümpfe sah man, daß sie ihre Zehennägel rot lackiert hatte. Sie sagte, sie freue sich, das eine oder andere bekannte Gesicht zu sehen, wobei sie niemanden direkt ansah, ließ eine Anmeldungsliste herumgehen und begann zu erklären, wie sie sich das Seminar vorstellte, und gab einen kurzen Einblick ins Thema. Dann verteilte sie zwei zusammengeheftete Blätter, auf denen die Referatsthemen standen. Sie wies noch darauf hin, daß die Anmeldung für das Seminar verbindlich sei und daß sie über die Leute hinaus, die jetzt im Raum saßen, niemanden mehr annehmen würde.
    Ich kreuzte irgendein Thema an. Dann wurden noch ein paar Fragen gestellt und beantwortet, und nach etwa einer Dreiviertelstunde war es vorbei, alle schlurften dem Ausgang entgegen, auf den Flur und zu den Aufzügen oder in die Institutsbibliothek, die im

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