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Liegen lernen

Liegen lernen

Titel: Liegen lernen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Frank Goosen
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würde sehr gern mitfahren.
    Vor meiner Haustür stellte sie den Wagen ab, und wir unterhielten uns weiter. Wir waren uns einig, daß es eine deprimierende Party gewesen war. Sie sagte, sie sei nur hingegangen, weil Gerber ihr so leid tue. Er sei sehr einsam und wohl ein bißchen in sie verliebt. Vorhin hatte sie so begeistert ausgesehen, jetzt wirkte sie tieftraurig, als ginge ihr das Schicksal des dicken Gerber wirklich sehr nahe.
    »Und Sie?« fragte ich.
    »Er tut mir nur leid«, sagte sie.
    »Wahrscheinlich hätte auch Ihr Mann was dagegen.«
    »Ich bin nicht verheiratet. Und einen Freund habe ich auch nicht. Das wollten Sie doch wissen, oder?« Jetzt lachte sie wieder. In wenigen Sekunden zeigte sie einem fast die ganze Palette menschlicher Empfindungen. Ich lachte auch.
    »Morgen ist Sonntag«, sagte sie. »Da hätte ich Zeit.« Sie drehte den Kopf nur ganz leicht zu mir, sah mich nur kurz an und lächelte wie ein Kind, das etwas Freches gesagt hat.
    »Um vier Uhr? Kaffeetrinken?«
    »Ich hole Sie ab.«
    Ich beugte mich zu ihr hinüber. Sie kam mir ein wenig entgegen. Mein Knie berührte den Schaltknüppel. Ich küßte sie ganz leicht auf den Mund. Dann lächelten wir beide, und ich stieg aus.
    Am nächsten Tag duzten wir uns.
    Wir gingen ein paarmal aus, ins Kino, auch ins Theater und hinterher etwas essen oder ein Bier trinken, das übliche Programm. Aber mit Tina war es locker. Es war logisch. Es war nicht Wir-gehen-jetzt-ins-Kino-und-hinterher-noch-was-es-senoder-ein-Bier-trinken, es war kein Programm, nicht das Abarbeiten einer Checkliste, sondern das, was man wirklich tun wollte, weil einen die Filme interessierten und die Kneipen und das Essen und die Theaterstücke. 
     
    Dann schliefen wir miteinander. Sie lachte dabei. Sie sagte, sie könne nicht anders. Sie machte ziemlich viel Lärm und lachte sogar beim Orgasmus. Als sie danach neben mir lag, lachte sie immer noch, aber als ich nachsah, weinte sie auch ein bißchen. Sie sagte, sie könne nicht anders, aber das würde jetzt nicht immer so sein, ich solle mir keine Sorgen machen. Ich sagte, ich mache mir keine Sorgen.
    Und sie hatte recht. Als wir uns am nächsten Tag trafen, fielen wir wie ausgehungerte Tiere übereinander her. Sie lachte nicht, aber sie machte wieder ziemlich viel Lärm. Jetzt war sie aggressiver. Zwischendurch fragte sie mich, ob alles in Ordnung sei oder ob sie mir auf die Nerven gehe. Ich küßte sie und sagte, sie solle nur weitermachen.
    Sex mit Tina war jedesmal anders. Einmal mußten wir mittendrin aufhören, weil wir uns so kaputtlachen mußten. Dann wieder waren wir mit großem Ernst bei der Sache, und sie krallte sich in mir fest, als könnte ich versuchen zu fliehen.
    Nach ein paar Wochen sagte Tina, sie suche etwas Festes, und ich sagte, das sei in Ordnung. 
     
    Tina machte gern Fotos. Nichts Künstlerisches. Sie hatte keine teure Kamera mit Dutzenden von Objektiven, sie entwickelte die Filme nicht in ihrer eigenen Dunkelkammer, aber wo sie auch hinging, meistens hatte sie einen kleinen Fotoapparat dabei. Sie sagte, man vergesse so schnell, wie alles aussehe. Ich hatte mir darüber noch nie Gedanken gemacht, aber ich fand, sie hatte recht. Wir fotografierten uns überall. An der Straßenbahnhaltestelle, beim Ausleeren des Mülls, am Bahnhof, im Büro, in der Schlange an der Kinokasse, einfach überall. Sie steckte die Umschläge mit den fertigen Fotos immer in eine große Kiste und nahm sich vor, das alles eines Tages mal zu sortieren und ordentlich in Alben einzukleben. Einstweilen holten wir ab und an den einen oder anderen Umschlag hervor und sahen uns Fotos an. Für niemanden sonst waren sie interessant, schließlich standen wir nur selten vor Sehenswürdigkeiten. Meistens waren es nur wir beide bei völlig alltäglichen Tätigkeiten. Ich fragte Tina, ob sie das mit ihren früheren Männern auch getan habe, und sie druckste ein wenig herum und sagte dann, die Fotos würde sie mir eines Tages schon noch zeigen. 
     
    Ich lernte ihren Vater kennen, der Rechtsanwalt in Saarbrücken war. Ihre Mutter war vor einigen Jahren gestorben. Ihr Vater mochte mich, und er kaufte uns die Wohnung, als wir zwei Jahre zusammen waren. Kurz darauf sprachen wir zum ersten Mal über Kinder.
    Wir lagen im Bett. Ich las, und Tina löste das Kreuzworträtsel im Stern. Sie sagte, ihre Freundin Anne sei wieder schwanger. Es war das dritte Mal. Die beiden ersten Male hatte sie abgetrieben. Beide Male war sie von einem anderen Mann

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