Liegen lernen
Sofa saß der Babysitter und las. Simone bezahlte ihn und schickte ihn weg. Wir mußten leise sein, wegen ihrer Tochter. Sie fing an, mich zu küssen und mich auszuziehen.
Es war ungefähr so, wie ich es mir vorgestellt hatte. Sie überwältigte mich, aber ich wehrte mich nicht. Ich ließ sie machen, aber es war nicht so erregend wie in meiner Vorstellung. Etwas störte mich daran, obwohl ich doch wußte, daß das nicht in Ordnung war. Ich hatte es nicht nur zu akzeptieren, daß sie stark war, auch körperlich, daß sie sich nahm, was sie brauchte, ich hatte das toll zu finden und erregend, aber wenn ich ehrlich war, machte es mir ein bißchen angst. Vielleicht war es auch nur die Angst, schlappzumachen, weich zu werden, bevor ich fertig war, denn das wäre das schlimmste gewesen.
Als sie auf mir saß, spürte ich ihre spitzen Beckenknochen. Sie war ziemlich mager. Ich legte meine Hände auf ihre kleinen Brüste, aber ich rutschte immer wieder ab, weil sie sich so heftig bewegte. Sie hielt immer wieder die Luft an, um nicht schreien zu müssen. Sie sah mich nicht an. Ich hätte nicht ich sein müssen. Ich dachte: So, jetzt bin ich also ein Ehebrecher, einer, der seine Frau betrügt, eine John-Updike-Figur. Ich war nicht mit Tina verheiratet, aber das spielte keine Rolle. Ich betrog sie, jetzt in diesem Moment, während sich meine Studentin nahm, was sie brauchte, und gleichzeitig darauf bedacht war, ihre Tochter nicht aufzuwecken. Ich schwamm nicht davon auf einer Welle aus Leidenschaft, partiell unzurechnungsfähig und kopflos vor Lust, sondern ich wußte genau, was ich tat. Das mochte literarisch interessant sein, aber tatsächlich war es wie Steineschleppen. Man hat den Eindruck, man müsse es mal machen, aber wenn man es gemacht hat, drängelt man sich nicht danach, es noch mal zu machen. »Seitensprung« lag nun auf meiner persönlichen Liste dämlicher Wörter für lange Zeit unangefochten auf Platz eins.
Als sie gekommen war, ließ sie sich neben mich fallen, atmete ein paar Minuten tief durch und machte es mir dann mit der Hand. Es dauerte etwas, aber als ich mich richtig konzentrierte, ging es.
»Okay«, sagte sie später, »ich habe ein Kind und du eine stabile Beziehung. Du solltest jetzt vielleicht gehen.«
Ich ging ins Bad und wusch mich. Dann kam ich zurück.
»Es ist dir doch klar«, sagte sie, »daß dies hier nichts nach sich zieht, oder?«
»Natürlich«, sagte ich. Würde sie mir jetzt ein paar Scheine zustecken?
Sie saß auf dem Bett, und ihr Haar war ganz durcheinander. Vom Lippenstift war nichts mehr zu sehen. Ihre Brustwarzen waren steif, sie fror. Sie sagte: »Komm mal mit!« Sie stand auf und führte mich in das andere Zimmer. Ihre Tochter lag im Bett und schlief. Es lagen Stofftiere auf dem Boden herum und Mobiles baumelten von der Decke. Das Kind hatte eine Ente im Arm und den Daumen im Mund. »Das wollte ich ihr eigentlich abgewöhnen«, sagte Simone leise. Ich nickte. Warum zeigte sie mir das jetzt? Was sollte ich davon mitnehmen? Ich wollte weg hier. Eine Weile sahen wir dem Kind beim Schlafen zu, dann führte sie mich hinaus. An der Wohnungstür sagte sie: »Wir sehen uns im Seminar«, und gab mir die Hand.
Unterwegs holte ich an einer Tankstelle eine Dose Bier und ließ mir vom Tankwart das Ergebnis des Fußballspiels sagen. Auf der Straße trank ich die Dosen aus, damit ich nach Stadion und Kneipe roch, und ging nach Hause. Tina schlief bereits. Ich trank noch ein Bier auf dem Balkon, obwohl es sehr kalt war. Ich hatte Angst, Tina könnte riechen, daß ich mit einer anderen Frau zusammengewesen war. Ich setzte mich auf das Sofa und trank noch ein Bier. Dann schlief ich ein. Gegen halb sechs wankte ich ins Bett.
Als ich um zehn aufwachte, war Tina schon längst im Büro. Ich duschte und rief sie an. Ich sagte ihr, daß ich sie sehr, sehr liebe, und sie sagte, sie fände das sehr süß.
Die Arbeit, die Simone bei mir schrieb, war hervorragend. Ich mußte ihr eine Eins geben, ob ich wollte oder nicht.
Als wir zusammenzogen und ich mit meinen Wagenladungen voll Vinyl-Schallplatten und CDs ankam, sagte Tina, das komme ihr nicht in die Wohnung. Ich konnte sie verstehen. Ich brauchte mittlerweile fünf CD-Schränke von Ikea, um alles zu verstauen. In jeden Schrank paßten nach Auskunft der Schweden 332 normale CDs. Ich mußte also mittlerweile über anderthalb tausend Stück haben. Das war ohne Frage eine raumgreifende Menge. In unseren Keller paßten sie aber auch nicht alle.
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