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Liegen lernen

Liegen lernen

Titel: Liegen lernen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Frank Goosen
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schwanger gewesen. Jetzt war es wieder ein anderer. Ich fragte, wer das sei.
    »Dieser Dieter, der kürzlich dabei war, als wir im Kino waren.«
    Ich erinnerte mich. Dieter sammelte Gemälde. Seine eigenen, weil niemand sie kaufen wollte. Als Tina Dieters Bilder zum ersten Mal sah, warnte sie Anne. Er war ein Idiot, ein Blender. Und wenn Tina etwas wirklich haßte, dann Leute, die sich aufplusterten, obwohl sie keine Federn hatten. Da konnte sie bisweilen recht zupackend formulieren. »Ich hab schon Kühe gesehen, die künstlerischer geschissen haben, als der Typ malt!« Und das sagte sie auch Anne, aber Anne wollte das nicht glauben, und als sie es glaubte, sagte sie, das sei ihr egal. Aber so etwas kann einem nicht egal sein, meinte Tina, und sie hatte recht.
    »Aber sie ist nicht mit ihm zusammen«, sagte Tina, und ihr Tonfall verriet, was sie davon hielt: weniger als nichts. Tina war für klare Verhältnisse. Man war mit jemandem zusammen, oder man war es nicht. Sie war nicht prüde, spontaner, ungebundener Sex, zur Not auch mit Freunden, ging nicht gegen ihr Weltbild. Aber sie fand, man ging nicht mit jemandem ins Bett, der mehr von einem erwartete, als daß man nur mit ihm ins Bett ging. Und schon gar nicht ließ man sich bei so einer Gelegenheit schwängern. Das alles hatte sie Anne auch gesagt. Und dann hatte Anne etwas gesagt, und Tina verstand Anne plötzlich viel besser.
    »Ich erinnere mich«, sagte ich. »Er war ziemlich blasiert.«
    »Ja, ich mochte ihn auch nicht«, sagte Tina. »Aber sie wünscht sich so sehr ein Kind.«
    Ich las weiter. Ich wollte dem Thema nicht unbedingt aus dem Weg gehen. Aber ich mußte ihm auch nicht unbedingt entgegenstürmen.
    »Was hältst du eigentlich von Kindern?« fragte sie dann.
    »Ich weiß, daß es sie gibt und was man machen muß, um sie zu bekommen«, sagte ich, ohne von meinem Buch aufzusehen.
    »Könntest du dir vorstellen, irgendwann selbst welche zu haben?«
    »Ich habe viel Phantasie.«
    Das war alles. Ich vergaß ein paar Minuten das Umblättern. 
     
    Ich hielt mich für einigermaßen aufgeschlossen. Ich stand Veränderungen nicht prinzipiell ablehnend gegenüber. Es mußte nicht einfach alles so bleiben, wie es war. Ich hatte einen Computer. Noch im Hauptstudium hatte ich angefangen, meine Arbeiten am Computer zu schreiben.
    Auf der Schule hatten die Typen, die Anfang der Achtziger einen der erstmals angebotenen Informatikkurse belegten, den Status von armen Irren. Sie hatten meist Mathe- und Physik-Leistungskurs gleichzeitig und sagten Sätze wie: »Ich habe gestern vor dem Schlafengehen noch einmal Pythagoras überprüft, und ich glaube, er war ein Idiot«. Sie hatten nicht die leiseste Ahnung von Fußball oder Rockmusik, trugen schwarze Adidas-Turnschuhe mit weißen Streifen zu braunen Cordhosen. In dieser komplett asexuellen Gesellschaft wollte man nicht gesehen werden, wenn man was auf sich hielt. So waren die Mücke-Regeln.
    An der Uni hatte ich jedoch irgendwann die Schnauze voll davon, meine Seminararbeiten mit einer alten Olympia, Unmengen von Tipp-Ex, einer Schere und einem Pritt-Stift zusammenzuleimen. Andere waren da schon viel weiter: Es sah einfach viel schicker aus, wenn die Fußnoten ordentlich unten auf der Seite plaziert waren, anstatt hinten im Anhang angepappt zu werden, so daß man immer hin- und herblättern mußte.
    Zunächst stellte ich mich einigermaßen blöd an. Ich glaube, es dauerte schon mindestens drei Wochen, bis mir ein wohlmeinender Kommilitone den Unterschied zwischen Hardware und Software beigebracht hatte (obwohl das jetzt vielleicht auch ein bißchen kokett war).
    Ich fing an mit einem Modell ohne Festplatte. Wie ein schwachsinniger Discjockey mußte ich ständig diese biegsamen Plastikteile, diese »Disketten«, in den Schlitz schieben, damit das Ding überhaupt ans Laufen kam. Der Bildschirm war eine Zumutung: Bernsteinfarben auf Schwarz flimmerten unvollständige Zeichen, die wohl Buchstaben sein sollten, vor meinen Augen. Als mir irgend jemand dann eine 20-MB-Festplatte einsetzte, kam ich mir vor, als könnte ich mit dem Ding zum Mars fliegen.
    Auch einen Drucker hatte ich, aber den traute ich mich nur tagsüber zu benutzen, da dessen neun Drucknadeln deutlich über Zimmerlautstärke arbeiteten.
    Auch diese Zeiten waren vorbei. Erst zwei Wochen vor dem »Termin« bei meinen Eltern hatte ich mir ein nagelneues Gerät zugelegt, einen edlen schwarzen Laptop mit einem weißen, angebissenen Apfel obendrauf. Das hatte

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