Life - Richards, K: Life - Life

Speedboat der Marke Riva, komplett aus Mahagoni. Die Crème de la Crème des italienischen Motorbootdesigns. Mandrax war ein Anagramm des
ursprünglichen Namens - ich hatte nur ein paar Buchstaben weggehauen und ein paar andere hin und her geschoben. Ich musste es einfach so nennen. Gekauft, umgetauft und losgedüst, ohne Bootsschein oder dergleichen. Kein »Haben Sie Erfahrung auf dem Wasser?«, nicht mal pro forma. Heute wollen mir die Leute erzählen, man müsste Prüfungen ablegen, ehe man ein Boot durchs Mittelmeer steuern darf. Damals wartete ich nur auf Bobby Keys, der sich nicht lange bitten ließ, sowie auf Gram Parsons und ein paar andere - dann konnte es losgehen, auf zur Jungfernfahrt auf dem glasklaren Mittelmeer, Richtung Riviera und Abenteuer. Aber dazu später mehr. Zunächst, und zwar im Mai, also vier Wochen nach unserer Ankunft, stand Micks Hochzeit mit Bianca an, seiner Verlobten aus Nicaragua. Marianne war ein Jahr davor, 1970, aus seinem Leben verschwunden und direkt mit ihrer verlorenen Dekade versunken.
    Mick war der Meinung, er hätte eine Hochzeit im kleinen Rahmen organisiert. Dazu hatte er sich ausgerechnet Saint-Tropez zur Hochsaison ausgesucht. Das ließ sich natürlich kein Journalist entgehen. Damals waren Bodyguards noch nicht üblich, und so musste sich der Tross aus Hochzeitspaar und Gästen durch die von Fotografen verstopften Straßen quetschen. Von der Kirche bis zum Rathaus tobte ein erbarmungsloser Kampf Mann gegen Mann - als müsste man sich in einem überfüllten Club zur Bar durchschlagen. Da verdrückte ich mich lieber, weshalb Bobby Keys, damals ein enger Freund von Mick, den stellvertretenden Trauzeugen oder was auch immer geben sollte. Am Ende übernahm Roger Vadim die Rolle des Trauzeugen.
    Ich komme aus einem ganz bestimmten Grund auf Bobby zu sprechen: Biancas Brautjungfer war Nathalie Delon, ein wunderschönes Mädchen und Noch-Ehefrau des französischen Filmstars Alain Delon. Bobby war sofort hin und weg von ihr, was allerdings
nicht ganz ungefährlich war. Nathalie und Alain standen nämlich im Zentrum eines Skandals, der bis zum französischen Premier Georges Pompidou samt Gemahlin reichte, ganz zu schweigen von der kompletten kriminellen Unterwelt zwischen Marseille und Paris. Delons jugoslawischen Leibwächter hatte es schon erwischt; nach einer kurzen Affäre mit Nathalie hatte man ihn auf einer Müllkippe in einem Pariser Vorort gefunden. Erschossen! Die Täter wurden nie gefasst. Delon hatte Nathalie für die Schauspielerin Mireille Darc verlassen. Ein Riesendurcheinander, das schon von weitem nach Gefahr roch. Im Hintergrund agierten mächtige Persönlichkeiten aus der Unterwelt des nahen Marseille und eine jugoslawische Gang. Kein Zweifel, da gab es eine Menge böses Blut, da wurde um die Wette erpresst, und zwar auf höchster politischer Ebene. Einmal hatten sie sogar die Räder an Nathalies Wagen gelockert. Es war wirklich kein guter Zeitpunkt, um ihr schöne Augen zu machen.
    Doch der nichtsahnende Bobby war von ihr fasziniert. Um ihre Aufmerksamkeit zu erregen, blies er sich bei der Hochzeitsparty die Lungen aus dem Leib. Und starrte sie dabei die ganze Zeit an. Dann musste er zurück nach London, reiste aber bald wieder nach Nellcôte, um an unserem Album mitzuarbeiten. Und wer war immer noch da? Nathalie, die bei Bianca wohnte. Was dann passierte? Tja, zum jetzigen Zeitpunkt sind sie beide noch am Leben, aber fragt mich nicht, warum. So richtig akut wurden die Probleme jedenfalls erst ein paar Wochen später.
    Wie gesagt, ich verdrückte mich von der Hochzeit - und landete in einer Toilettenkabine im Byblos. Als ich gerade am Pinkeln war, hörte ich ein Schniefen von nebenan. »Ruhe da drüben«, sagte ich, »außer es ist für alle was da.« Eine Stimme: »Willst du was abhaben?« So lernte ich Brad Klein kennen, der zu einem richtig guten Freund wurde. Er hatte sich als Warenumschlagsexperte etabliert,
denn er leitete Marihuana von hier nach dort um. Äußerlich war er ein sehr ordentlicher Junge, gut erzogen, gebildet; eine Rolle, die ihm viele Probleme ersparte. Später dealte er auch mit Koks und verstrickte sich tiefer in den Drogenhandel, aber damals beschränkte er sich noch auf Hanf. Mittlerweile ist er tot. Die übliche Geschichte, die alte Regel: Wenn du damit dealst - lass selber die Finger davon. Daran hielt er sich nicht. Er dachte, ein bisschen was geht immer. Doch bei diesem ersten Aufeinandertreffen machten wir zusammen die Fliege und