Life - Richards, K: Life - Life
oft dachte dabei kein Mensch an Sex. Häufig ist überhaupt nichts gelaufen. Nur ein bisschen kuscheln und dann die Augen zumachen. Aber viele von ihnen habe ich wirklich geliebt, und am meisten verblüffte mich, dass sie meine Liebe tatsächlich erwiderten. An ein Mädchen aus Houston kann ich mich
noch gut erinnern, eine Junkiekollegin. Ich glaube, das war auf der’72er-Tour: Mein Stoff war alle, ich war im Arsch. Zufällig trafen wir uns in einer Bar, und sie half mir aus. Eine Woche lang habe ich sie und sie hat mich geliebt. Sie hat mir über einen üblen Durchhänger hinweggeholfen. Ich hatte gegen meine Prinzipien verstoßen, ich war richtig abhängig geworden, und auf einmal erschien dieses tolle Mädchen auf der Bildfläche und zog bei mir ein. Keine Ahnung, woher sie so plötzlich kam. Woher kommen Engel schon? Aber sie wissen, was Sache ist, sie durchschauen dich. Statt lange rumzulabern, blicken sie dir in die Augen und sagen: »Du musst das jetzt durchziehen.« Okay, wenn du das sagst. Danke, Schwester.
Oder in Melbourne, Australien: ein junges Ding mit Baby, süß, schüchtern, bescheiden, und ziemlich am Ende, denn ihr Kerl hatte sie mit dem Kind sitzenlassen. Sie konnte mir reines, pharmazeutisches Kokain verschaffen. Als sie immer wieder mit einer frischen Lieferung im Hotel auftauchte, sagte ich, hey, eigentlich könnte ich doch gleich bei dir einziehen. Und so lebte ich eine Woche lang mit Mutter und Kind in einem Vorort von Melbourne. Eine merkwürdige Erfahrung. Nach vier, fünf Tagen fühlte ich mich wie ein australischer Familienvater. »Sheila, wo bleibt das beschissene Frühstück?« - »Hier, Schatz, hier hast du dein Frühstück.« Als hätte ich seit Ewigkeiten dort gewohnt! Ein verdammt gutes Gefühl. Das krieg ich hin, dachte ich mir, dieses Leben in einer kleinen Doppelhaushälfte. Ich kümmerte mich um das Baby, während sie arbeiten ging. Ein Ehemann für eine Woche. Auch fürs Wickeln war ich zuständig. Irgendein Bewohner eines Vororts von Melbourne hat bis heute keine Ahnung, dass ich ihm den Arsch abgewischt habe.
Oder der Zwischenstopp, den Bobby und ich bei zwei Mädels in Adelaide einlegten. Zwei hübsche Mädchen, die sich hervorragend
um uns kümmerten. Sie hatten ein bisschen Acid am Start, was ja nicht gerade mein Fall ist, aber da wir in Adelaide ein paar freie Tage hatten und die beiden wirklich nett wirkten, hatten wir nichts dagegen. Die zwei bewohnten einen kleinen Hippie-Bungalow im Hügelland, mit langen Vorhängen, Kerzen, Räucherstäbchen und verrußten Öllampen. Wir waren ewig auf Tour, ein Hotel nach dem anderen, und deswegen war es eine Riesenerleichterung, mal was anderes zu sehen. Irgendwann mussten wir dann weiter, genauer gesagt von Adelaide nach Perth, also ans andere Ende des verkackten Kontinents. Hey, sagten wir, warum kommt ihr nicht einfach mit? Und das machten sie dann auch. Natürlich waren wir immer noch restlos zugedröhnt, als wir in den Flieger stiegen, und irgendwo auf halbem Weg nach Perth - Bobby und ich saßen vorne in der ersten Sitzreihe - platzten die beiden Mädchen plötzlich halbnackt aus der Toilette. Sie hatten sich miteinander vergnügt, stolperten herum und kicherten. Diese Aussies, unglaublich! Wir lachten uns schlapp: »Macht schon, holt sie raus!« Gleichzeitig hörten wir ein kollektives Einatmen von weiter hinten. Die anderen Passagiere! Die hatten wir völlig vergessen! Also drehen wir uns um - und blicken in zweihundert schockierte Gesichter. Australische Geschäftsmänner und gestandene Matronen, deren Stoßseufzer die komplette Luft aus der Kabine gesogen hatte. Ein paar fingen an zu lachen, ein paar andere marschierten zum Piloten, um unverzügliche Vergeltungsmaßnahmen zu fordern. Bei unserer Ankunft in Perth wurden wir vom Fleck weg verhaftet; wenn auch nur für kurze Zeit. Irgendwie redeten wir uns aus der Sache raus. Bobby und ich fragten ganz unschuldig, was wir denn damit zu tun hätten? Wir hätten doch brav in unseren Sitzen gesessen. Und die Mädchen meinten, sie hätten bloß »ihre Kleider getauscht«. Keine Ahnung, wie sie damit durchkamen.
Auch in Perth waren sie mit dabei, und nach dem Gig stiegen wir gemeinsam in unser eigenes Flugzeug, eine Frachtmaschine, genauer gesagt eine Super Constellation. Das Öl lief aus, Schalldämmung war Fehlanzeige, man lagerte irgendwo zwischen der Ausrüstung auf ein, zwei Matratzen, die man sich wohlweislich mitgebracht hatte. Von Perth nach Sidney, volle fünfzehn
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