Life - Richards, K: Life - Life
wenn wir zusammenbleiben wollten, mussten wir das zusammen durchstehen. Aber sie tat es nicht. Die Sache entglitt uns. Ich konnte nicht länger mit jemandem unter einem Dach wohnen, der immer noch an dem Zeug hing. Der Stoff verändert die chemischen Reaktionen in deinem Körper, aber auch dein Verhältnis zu anderen Menschen. Und das ist der komplizierte Teil. Ich wäre wahrscheinlich ewig mit Anita zusammengeblieben, aber als es zu diesem alles entscheidenden Punkt kam, ab dem es überhaupt keinen Stoff mehr geben sollte, hat sie einfach weitergemacht. In Wahrheit hatte sie sowieso nie aufgehört. Im Jahr zuvor, 1977, als wir es ein paar Monate lang versuchten, besorgte sie sich das Zeug heimlich. Ich wusste, dass sie drauf war; man sieht das einfach an den Pupillen. Nun konnte ich nicht mal mehr zu ihr und sie sehen. Und da sagte ich mir, tja, so ist Anita eben. Da war es dann vorbei.
Ich war also clean, und wir konnten endlich für die’78er-Tour proben. Und eines Tages kam sie in einem Hubschrauber direkt
aus den Wolken: Lil. Sie war mit ihrer Freundin Jo Wood, Ronnies zukünftiger Frau, zu Woodys Geburtstag gekommen. Es waren noch etwa zehn Tage bis zum Tourstart, und es grenzte an ein Wunder, genau zu diesem Zeitpunkt eine neue Freundin zu finden. Ihr richtiger Name war Lil Wergilis, obwohl über sie immer als Lil »Wenglass« oder Lil Green berichtet wird - denn so hieß sie nach ihrer Heirat. Sie war Schwedin, obwohl sie, nach zehn Jahren in der Stadt, längst zu einem typischen Londoner Gör geworden war, bis hin zu einer Aussprache als hätte sie nie was anderes gesprochen, »Oh, fuckin’ naff« und so weiter. Sie war eine bildhübsche Blondine in der Blüte ihres Lebens. Als ich Lil zum ersten Mal begegnete, sah sie aus wie Marilyn Monroe. Umwerfend. Pinkfarbene Lurex-Strümpfe und blonde Haare. Aber sie war auch klug und hatte ein großes Herz. Ein süßes Mädchen, eine wunderbare Geliebte. Ich war gerade runter von dem Zeug, und da kam Lil und brachte mich zum Lachen. Sie hat mich mit ihrem Lachen aus dem Dunkel geholt. Sie hat mich wirklich vor dem Abgrund gerettet. Mit dem Zeug aufzuhören ist keineswegs so leicht, wie es hier vielleicht erscheint, schließlich war ich zehn Jahre lang abhängig und hatte fünf bis sechs kalte Entzüge hinter mir. Aber endgültig die Finger von dem Zeug zu lassen, das ist die echte Leistung. Lil hat es geschafft, mich komplett abzulenken. Ungefähr ein Jahr lang lagen wir uns in den Armen. Wir hatten eine tolle Zeit zusammen. Lil war für mich wie eine frische Brise, frech, immer fröhlich und zu Späßen aufgelegt. Zu allem bereit. Außerdem war sie toll im Bett. Sie war voller Energie und packte die Sachen an. Zum Beispiel machte sie Frühstück und sorgte dafür, dass ich pünktlich aufstand. Genau das brauchte ich damals. Mick mochte sie nicht sonderlich; Lil war kein Studio-54-Girl. Er konnte sich nicht vorstellen, was ich von ihr wollte. Es war eine stürmische Zeit für unsere Ehen und Nicht-Ehen. Bianca hatte gerade die
Scheidung eingereicht, und jetzt hatte er Jerry Hall am Arm, mit der ich gut auskam.
Ich nahm Lil mit auf Tour, wo sie mit mir eine dieser Situationen durchstand, bei denen ich dem Tod gerade noch mal von der Schippe springen konnte - die Liste war inzwischen zu lang geworden, als dass damit noch zu spaßen war. Diesmal ging es um ein Feuer in dem Haus, das wir im Laurel Canyon in Los Angeles gemietet hatten. Lil und ich waren schon im Bett, als Lil, wie sie mir später erzählte, in der Ferne einen Knall hörte und aufstand, um die Vorhänge zur Seite zu ziehen; draußen war es seltsam hell. Irgendwas stimmte nicht. Sie öffnet die Badezimmertür, und schon schießt eine Stichflamme in den Raum. Uns bleiben nur ein paar Sekunden, um aus dem Fenster zu springen. Ich habe nur ein kurzes T-Shirt an, Lil ist ganz nackt. Alle wissen, um wen es sich bei uns handelt - um uns herum lauter hysterische Menschen, die versuchen, das Feuer zu löschen -, eine Riesenstory, sobald die Presse davon Wind bekommt. Zum Glück hält ein Auto neben uns, und wir steigen dankbar ein. Es ist eine Cousine von Anita - ein glücklicher Zufall! Wir stehen unter Schock, fahren zu ihr nach Hause, leihen uns was zum Anziehen und gehen in ein Hotel. Am nächsten Tag ging jemand zu unserem Haus, um nachzusehen, und da steckte ein großes Schild in dem verkohlten Rasen: »Herzlichen Dank auch, Keith«.
Im Oktober 1978 begannen schließlich meine Verhandlungen in
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