Life - Richards, K: Life - Life
Der Sex stand nicht so sehr im Mittelpunkt; wir hatten zwar Sex, aber sehr gemächlichen. Andererseits habe ich immer noch kistenweise Liebesbriefe von ihm. Vom ersten Tag an schrieb er mir Briefe über Briefe. Und malte Bilder mit seinem eigenen Blut. Bis heute freue ich mich auf seine kleinen Nachrichten. Er ist sehr charmant und geistreich.
Am Anfang war alles wunderbar, aber nach und nach äußerten immer mehr Leute ihre Bedenken. Keith war dauernd unterwegs; mitten in der Nacht verschwand er plötzlich nach Long Island. Ach, du hast eine Familie? Eine Familie mit Kind auf Long Island? Ich war fertig mit den Nerven. Ich hatte ja keine Ahnung von Anita gehabt, und erst recht nicht von einer Freundin namens Lil Wergilis. Ich meine, wenn mich ein Typ zu seiner Party einlädt, gehe ich davon aus, dass er Single ist! Auf einmal kam alles ans Licht, Keiths ganze Vergangenheit. Aber ich weiß noch, was ich damals empfand: Der Kerl braucht ein Zuhause. Die anderen wollten mir ständig sagen, was ich alles falsch machte: Nein, so mag er seine Frühstückseier nicht. Sag dies nicht, tu das nicht. Alles sehr merkwürdig. Bei meiner Familie trudelten Briefe mit schrecklichen Geschichten über Keith ein, und bald machten sie sich richtig Sorgen. Aber letztlich hatten sie Vertrauen zu mir. Als ich wegen der Arbeit für ein paar Wochen nach Paris musste, gab ich ihm meine Schlüssel. Träume ich, fragte ich mich, oder passiert das wirklich? Ich wollte mit ihm zusammenbleiben, denn ich mochte ihn sehr. Als er in Paris anrief, um zu fragen, wann ich wieder heimkommen würde, war ich richtig aufgeregt. Im März 1980 oder so ging ich dann nach Kalifornien, um einen Film mit Peter Bogdanovich zu drehen. Es war der pure Wahnsinn, eine Beziehung mit Keith zu führen und gleichzeitig zu versuchen, sich zum allerersten Mal als professionelle Schauspielerin zu etablieren. Selbst Bogdanovich schrieb meiner Familie, um sie vor Keith zu warnen. Heute bereut er das, glaube ich.
Ich wusste ja schon nicht viel über Keith, aber meine Lutheranerfamilie auf Staten Island wusste noch viel weniger.
Meine Brüder und Schwestern waren auf der anderen Seite der Sechziger aufgewachsen, in den Sechzigern der Doris Day. Meine älteren Schwestern trugen Hochsteckfrisuren, richtige Turmfrisuren. Die Hippie-Ära war komplett an ihnen vorbeigegangen. Gut möglich, dass meine Brüder mal Marihuana ausprobiert t hatten, aber sonst nahm in meiner Familie niemand Drogen - soweit ich weiß. Abstinenzler waren sie allerdings auch nicht. Die hatten eben andere Schwierigkeiten, bei uns wird viel getrunken. Im Herbst 1980 kam Keith dann zu Thanksgiving, um sich meiner Familie vorzustellen, und es war eine einzige Katastrophe.
Als ich zum ersten Mal bei Pattis Familie auf Staten Island aufkreuzte, war ich schon seit Tagen auf den Beinen. Ich wollte mit einer Flasche Wodka oder Jack Daniel’s in der Hand zur Tür hereinspazieren. La la la, ich bin’s, euer zukünftiger Schwiegersohn, ob ihr’s glaubt oder nicht. Damit lag ich leider völlig daneben. Zumal ich Prinz Klossowski mitgebracht hatte - ja, ausgerechnet Stash sollte mir den Rücken freihalten. Irgendwie muss ich sie beeindrucken, dachte ich mir, und im Schatten eines Prinzen könnte ich mich perfekt verstecken. Das war der Plan: ein leibhaftiger Prinz. Dass er auch ein leibhaftiges Arschloch war, kam mir gar nicht in den Sinn. Ich wollte einfach einen Partner an meiner Seite haben. Dass Patti und ich zusammenbleiben würden, war mir sowieso klar. Jetzt brauchte ich nur noch den Segen ihrer Familie, vor allem ihr zuliebe.
Also holte ich die Gitarre raus und spielte ein bisschen »Malagueña«. »Malagueña« - es gibt nichts Besseres! Nichts anderes öffnet einem so schnell sämtliche Herzen. Kaum hast du »Malagueña« gespielt, halten sie dich für ein verdammtes Genie.
Nachdem ich es sehr schön gespielt hatte, glaubte ich, zumindest die Damen auf meine Seite gezogen zu haben. Pattis Familie fuhr ein prächtiges Abendessen auf, und wir futterten gemeinsam, alles sehr gesittet. Aber Pattis Vater, Big Al, fand mich irgendwie suspekt. Er war ein Busfahrer aus Staten Island, ich ein »internationaler Popstar«. Auf einmal drehte sich die Unterhaltung um die Frage, wie es denn wäre, ein Popstar zu sein? Und ich meinte: Ach, das ist gar nicht so wild, und so weiter. Aber an diesen Wortwechsel erinnert sich Stash viel besser; ich hatte mich längst um den Verstand gesoffen. Stash weiß noch, wie einer der
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