Life - Richards, K: Life - Life
Stewart am Klavier saß. Dort habe ich mich in die beiden Jungs verknallt. Zu der Zeit gab es in den Clubs ja praktisch keine Auftrittsmöglichkeiten für diese Art von
Musik. Wir trafen uns da, tauschten Ideen und Platten aus und hingen ab. Rhythm and Blues war in den Sechzigern ein besonders wichtiges Distinktionsmerkmal. Entweder man war Blues und Jazz oder Rock’n’Roll, aber Rock’n’Roll war ja inzwischen gestorben und zu Pop geworden - ausgelutscht. Rhythm and Blues war ein Begriff, auf den wir uns stürzten, denn er stand für die wirklich mitreißenden Bluesbands aus Chicago. Er setzte sich allen Widerständen zum Trotz durch. Wir milderten die Zumutung für die Puristen, die zwar unsere Musik mochten, sie aber trotzdem nicht gutheißen konnten, indem wir behaupteten, das sei gar kein Rock’n’Roll, sondern eben Rhythm and Blues. Natürlich eine völlig schwachsinnige Unterscheidung, wo es sowieso dasselbe war - es kam nur darauf an, wie man den Backbeat spielte oder wie selbstbewusst man war.
Alexis Korner war der Vater der Londoner Blues-Szene. Er war selber kein herausragender Musiker, aber er hatte ein großes Herz und förderte junge Talente. Im Rahmen der Musikwelt galt er sogar als Intellektueller. Zum Beispiel hielt er am Institute of Contemporary Arts Vorträge über Jazz und Blues. Er hatte für die BBC gearbeitet, hatte Platten aufgelegt und vor dem Mikro mit Musikern gesprochen, was für uns bedeutete, dass er Kontakt zu Gott persönlich hatte. Sein Thema kannte er in- und auswendig und obendrein jeden Musiker, der was taugte. Er war österreichischer und griechischer Herkunft, aber in Nordafrika aufgewachsen. Mit seinen langen Koteletten sah er aus wie einer vom Zirkus, seine Aussprache mit Floskeln wie »I say, old boy« war aber ganz und gar klassisches, britisches Englisch.
Alexis’ Band war verdammt gut. Cyril Davies war ein unglaublicher Mundharmonikaspieler, einer der besten überhaupt. Er war gelernter Autoschlosser aus Wembley, und sein Auftreten war genau so, wie man es von einem Autoschlosser aus Wembley erwarten
durfte, der einen gewaltigen Bourbon-Durst hatte. Er verfügte über einen besonderen Nimbus, weil er tatsächlich in Chicago gewesen war, wo er Muddy und Little Walter gesehen hatte. Seit seiner Rückkehr trug er einen Heiligenschein. Cyril mochte niemanden. Er mochte uns nicht, weil er ahnte, dass sich einige Veränderungen anbahnten, und das wollte er nicht. Er starb bald danach, 1964, doch schon 1963 hatte er Alexis’ Band verlassen, um die R&B All-Stars zu gründen, die 1962 einmal wöchentlich im Marquee auftraten - auch als wir zum ersten Mal dort spielten.
Der Ealing Club war ein Club mit klassischem Jazz, wo Blues Incorporated jeden Samstagabend auftraten. Der Raum war muffig, und manchmal stand man bis zu den Knöcheln in Kondenswasser. Er befand sich unter der U-Bahn-Haltestelle Ealing, und das Dach über der Bühne war aus dicken Glasbausteinen, so dass einem ständig Leute über den Kopf marschierten. Alexis sagte immer mal wieder: »Willst du hochkommen und spielen?« Und so spielst du halb unter Wasser elektrische Gitarre und kannst bloß hoffen, dass alles richtig geerdet ist, weil sonst die Funken fliegen. Meine Ausrüstung genügte immer nur gerade so. Die Drahtsaiten, die ich hatte, waren sehr teuer. Wenn eine riss, drehte man sie mit einer Ersatzsaite zusammen und zog sie neu auf, was tatsächlich funktionierte! Wenn die Saite wenigstens übers Griffbrett reichte, verknotete man sie über dem Sattel und verlängerte sie dann, um die Wirbel zu erreichen. Das hatte natürlich seinen Einfluss auf das Stimmen. Hier eine halbe Saite und da eine. Gott sei Dank hatte ich bei den Pfadfindern Knotenknüpfen gelernt.
Ich hatte so ein Ding, das sich DeArmond-Pick-up nannte. Ein ganz seltenes Exemplar. Den konnte man über die Gitarrendecke klemmen und an einer Spindel hoch- und runterschieben. Es gab keine getrennten Tonabnehmer für Bässe und Höhen. Wenn man
einen weicheren Sound wollte, zog man das Teil zum Hals hin und bekam dadurch einen bassigeren Klang. Und wenn man die Höhen schärfer haben wollte, schob man es wieder am Steg runter. Natürlich verdrehten sich dadurch ständig die Kabel und rissen ab. Ich hatte immer ein Lötset für den Notfall dabei, weil man dieses anfällige Ding ja andauernd hin und her wienerte. Da hieß es ständig löten und hinter dem Verstärker neu verkabeln - einem Little Giant in Radiogröße. Ich war einer der
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