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LIGEIA - Ein erotischer Horrorthriller (German Edition)

LIGEIA - Ein erotischer Horrorthriller (German Edition)

Titel: LIGEIA - Ein erotischer Horrorthriller (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Everson
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zur Schlachtbank führte. Ihm war klar, dass sein Ende, wohin auch immer sie ihn schleifen mochte, besiegelt war. Das Blatt hatte sich gewendet. Sie war ihm nicht länger hilflos ausgeliefert und an sein Bett gefesselt. Einen Augenblick lang dachte er darüber nach, wie er sie behandelt hatte. Konnte sie ihm wirklich Vorwürfe machen? Machte die vorübergehende Fesselung sie so wütend, dass sie …
    Er entsann sich der blutigen, über ihm baumelnden Füße seiner Männer und hielt in seinen Überlegungen inne. Ihm fielen die zahllosen Gelegenheiten ein, bei denen er in seine Kajüte zurückgekehrt war, um sich, ohne wenigstens ein Vorspiel vorzutäuschen oder sie zärtlich zu berühren, an ihr auszutoben. Er entsann sich der Tränen, die ihr so oft über die Wangen geronnen waren, wenn er gekommen war, und des wütenden Funkelns in ihren Augen, wenn sie völlig reglos dalag. Ihn um Beherrschung bemüht anstarrte. Auf den rechten Augenblick wartete.
    Dieser Augenblick war gekommen.
    Kapitän James Buckley III begriff, dass er sterben würde. Gleichzeitig fasste er den Entschluss, sie mit in den Tod zu reißen, wenn er schon selbst gehen musste.

42
    Manchmal, ganz gleich wie gerne man es vermieden hätte, musste man den Anfang machen. Das galt in diesem Moment auch für Evan. Er war schon einmal hier gewesen, und zwar heute Morgen . Bill konnte ihm Rückendeckung geben. Aber letztlich war es sein persönliches Gefecht, also musste er die Truppe anführen.
    Evan schluckte sein Unbehagen hinunter, trat kräftig mit den ungewohnt klobigen Gummiflossen an den Füßen aus und schob sich an seinem Freund vorbei, als sie die finstere Grenze des verrotteten Schiffsrumpfs überquerten. »Ich weiß, wo wir hinmüssen«, erklärte er schlicht und machte ausholende Bewegungen mit seinen Armen, so wie er es zahllose Male bei seinem Sohn beobachtet hatte. Josh hatte ihm also doch noch das Schwimmen beigebracht, auch wenn er zu Lebzeiten seines Sohnes nie einen Fuß ins Wasser gesetzt hatte. Das Unbehagen drängte sich wieder in sein Bewusstsein, aber er rang es nieder.
    Evan schwamm durch die Öffnung in dem alten Schiffsrumpf und verharrte. Er hielt nach etwas Ausschau und das war nicht sonderlich schwer zu finden. Nach wenigen Sekunden ragten die ersten Knochen aus dem vom Meer am Boden des Boots abgelagerten Schlamm. Sie wölbten sich an den Verdriftungen des Schlicks entlang. Ob die sie an Ort und Stelle hielten oder letztlich erst angetrieben hatten, ließ sich nicht sagen. Evan wusste jedenfalls, worum es sich handelte. Um ein Skelett. Direkt dahinter schimmerten gelblich weitere Überreste. Im Schein seiner Stirnlampe schälten sie sich aus strähnigen Seetangwedeln heraus.
    Evan machte Bill auf die halb begrabenen Gerippe aufmerksam und vernahm ein gequältes Aufstöhnen in seinen Kopfhörern.
    Sie schwammen weiter und bald zeichneten sich deutlich ganze Haufen übereinandergestapelter Skelette ab. Schließlich gelangten sie zu Leichnamen jüngeren Datums – halb verweste, gräuliche, angefressene Leichen, an deren Knochen noch Fleischfetzen hingen, ebenfalls zu grausamen Mahnmalen aufgetürmt. Evan verweilte einen kurzen Moment bei einem Überbleibsel, das nur noch aus einem Schädel zu bestehen schien, der aus einem zerlumpten schwarzen Baumwoll-T-Shirt herausragte. Die Hand des Toten ruhte auf den Überresten des Shirts. Stellenweise haftete bleiches, graues Fleisch wie alter Knorpel daran. Sein Hirn weigerte sich zu akzeptieren, dass dies früher ein lebendiger, atmender Mensch gewesen war; sie hatten hier keine Halloween-Requisiten vor sich, sondern den leibhaftigen Tod. Real und endgültig . Die Brust wurde ihm eng, und er zwang sich dazu, den Blick abzuwenden.
    Evan schwamm weiter. Im orangefarbenen Schein seiner Lampe blitzte etwas an der Spitze eines weiteren Knochenstapels auf. Zunächst wollte er einfach vorbeigleiten, doch etwas ließ ihn innehalten. Er blickte noch einmal zu dem Metallstück, das aufglomm, als er seine Stirnlaterne darauf richtete.
    »Komm schon, Mann, wir haben nicht die ganze Nacht Zeit«, drängte Bills Stimme.
    »Warte«, blieb Evan beharrlich. Er streckte die Hand nach dem Schmuckstück aus und betete mit aller Kraft, die er in diesem Moment aufbringen konnte, dass es nicht das war, wofür er es gehalten hatte, als der Lichtkegel darauffiel.
    »Bitte nicht«, flüsterte er, als seine Finger sich um die silberne Kette mit dem daran hängenden, zerbrochenen Glücksbringer schlossen.

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