LIGEIA - Ein erotischer Horrorthriller (German Edition)
war weg, das raffinierte Miststück. Und seine Mannschaft hatte sie mitgenommen.
Er tat einen Schritt vorwärts. In genau diesem Augenblick wurde das Schiff von einer Woge erfasst. Es pflügte durchs aufgewühlte Wasser, wirbelte Gischt auf und legte sich fast vollständig auf die Seite, ehe es ins Wellental hinabgerissen wurde und sich erneut aufrichtete. Er musste unbedingt nach oben ans Steuerrad, sonst würde es bald keine Rolle mehr spielen, ob Ligeia seine Männer gefressen hatte oder nicht. Denn wenn das Schiff unterging …
Abermals eine Bewegung direkt vor ihm. Helle Haut, die im Dunkeln aufleuchtete. Schwarzes Haar, das sich kaum von den finsteren Schatten abhob.
»Ligeia«, flüsterte er. Sie war hier und nicht nach oben gegangen. Buckley hastete ihr hinterher. Wie treffend, dass er in der Finsternis ausschließlich den Glanz ihrer schwarzen Haarpracht erspähen konnte, und damit den dunkelsten Teil von ihr. Während sie rannte und ihre Mähne durch die Luft wirbelte, verfing sich der schwache Schein seiner Laterne darin.
Pfeilschnell schoss sie durch die Mannschaftsunterkunft. Wie bei einem Gespenst sah er die blasse Haut ihrer Finger über die Kiste gleiten, die dem Eingang zum Laderaum am nächsten stand, ehe sie nach links aus seinem Sichtfeld verschwand.
»Ligeia«, mahnte er zum mittlerweile vierten Mal und trat vorsichtig über die Schwelle zum Laderaum. »Ich verlange, dass du sofort da rauskommst!«
Wie ein Schraubstock legte sich von hinten eine Hand um seinen Hals. »Ah, mein gemeiner, brutaler Kapitän«, hauchte eine Stimme in seinem Kopf. »Ich fürchte, du kannst von mir gar nichts verlangen. Aber dafür verlange ich sehr viel von dir.«
Buckley machte Anstalten, sich umzudrehen, doch etwas Scharfes vergrub sich in seinen Hals. Mit einem Mal wich Ligeias Stimme einem unangenehmen Schnarren: »Rühr dich nicht von der Stelle, mein Süßer. Sonst müssen wir deinen Lebenssaft vom Boden wischen und dich ebenfalls an einen Haken hängen. Wie du siehst, beherrsche ich das ziemlich gut. Aber man kann seine Technik ja immer noch verbessern.«
»Lass mich los«, forderte Buckley.
Ligeia fuhr mit einem dolchspitzen Fingernagel an der weichen Unterseite seines Kinns entlang. »Du hältst die Zügel nicht mehr in der Hand, mein Kapitän. Sondern ich! Diesmal bist du derjenige, der gefesselt wird.«
Käpt’n James Buckley III konnte einiges verkraften. Es machte ihm nichts aus, wenn ein Seemann es mal zu weit trieb und über die Stränge schlug. Ohne zu murren, langte er auch in die Tasche und zahlte, was die Jungs von der Hafenbehörde forderten, obwohl ihm klar war, dass sie letztlich die Hälfte seiner Einnahmen für sich abschöpften. Sie wussten, was er in seinem Laderaum beförderte, und er wusste, dass sie es wussten. Er stellte sich nicht gegen sie, sondern öffnete brav die Brieftasche. So lief Erpressung unter Gentlemen nun einmal ab.
Doch was James Buckley (und man sollte sich unterstehen, ihn kumpelhaft Jim zu nennen) ganz und gar nicht vertragen konnte, war, wenn eine Frau versuchte, ihre Überlegenheit zu demonstrieren. Als sein Selbsterhaltungstrieb ihm anriet, sich ruhig zu verhalten und ihre Bedingungen anzuhören, tat er das exakte Gegenteil davon. Vor seinem inneren Auge tauchten die Leichen seiner Männer auf, nackt und blutend an der Decke aufgehängt. Buckley rammte mit voller Wucht seinen Ellenbogen nach hinten und erwischte Ligeia sowohl an den Weichteilen – an der Brust womöglich – als auch an den Rippen. Gleichzeitig warf er sich nach vorn, rollte sich auf dem Boden zwischen den Kisten ab und kam in geduckter Körperhaltung wieder auf die Beine.
»Wir können uns gerne unterhalten«, erklärte er. Sein Atem ging stoßweise. »Aber dabei wirst du mich nicht festhalten.«
Von hinten glitt ein Tau unter sein Kinn und wurde festgezurrt. Der Kehle des Kapitäns entrang sich ein Stöhnen. Er griff nach dem Seil und versuchte, es zu lockern, doch die Schlinge zog sich nur noch enger um seinen Hals zusammen.
»Sag das noch mal«, wisperte Ligeia ihm honigsüß ins Ohr. Honig mit Blut vermischt.
Seine Antwort bestand aus einem Keuchen.
»Ja, das dachte ich mir«, kommentierte sie grinsend. Mit einem Mal schwang in ihrer Stimme ein widerlicher Unterton mit. »Typisch Mann. Immer eine große Klappe, aber wenn es darum geht, mal etwas zu leisten, kommt nichts.«
Ligeia zog am Seil, und Buckley stolperte rückwärts und musste ihr folgen, während sie ihn wie ein Kalb
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